Ihr erinnert euch an Asterix, den kleinen, tapferen Gallier? Das Dorf, in dem er mit seinem dicken Kumpel Obelix lebt, leistet erbitterten Widerstand gegen Cäsars Legionäre und ist umzingelt von befestigten römischen Lagern. Trotzdem, und das ist erstaunlich, haben Asterix und Co nur vor einer Sache Angst: Dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Aus heutiger Sicht eine völlig absurde Angst, zumal die reale Bedrohung durch die römischen Truppen objektiv betrachtet wesentlich angsteinflößender sein müsste. Aber: Die Gallier besitzen den vom Druiden Miraculix hergestellten Zaubertrank, der ihnen übermenschliche Kräfte verleiht. Diese Trumpfkarte ermöglicht ihnen ein weitestgehend angstfreies Leben. Was bleibt ist die völlig irrationale Angst vor dem herabfallenden Himmel.
Dieser kleine Abstecher in die Comicwelt macht eins deutlich: Auch wenn es keinen konkreten Anlass für Angstgefühle gibt, sucht sich das archaische Gefühl der Angst gerne eine Nische, in der es überleben kann. Und, genau wie bei den Galliern, ist diese Restangst oft irrational. Betrachten wir unser Leben einmal unter zeitlichen und geografischen Aspekten der Gefahr für Leib und Leben, stellen wir fest: Wir leben hier im Mitteleuropa der Gegenwart allen gefühlten Bedrohungen zum Trotz so sicher wie niemals und nirgends zuvor. Im letzten Satz steht bereits der entscheidende Begriff: Gefühlte Bedrohung. Diese kann viel stärkere Angstgefühle auslösen als die reale Bedrohung es rechtfertigen würde. Schauen wir dem Phänomen der Angst ein wenig auf seine evolutionären Wurzeln.
Angst als Überlebensmechanismus
Die Angst ist fester Bestandteil auf der Skala menschlicher Gefühlsregungen. Medizinisch und philosophisch zählt sie zu den Grundgefühlen wie Trauer, Freude, Scham, Liebe und Wut. Angst hat eine klare Daseinsberechtigung als Schutzmechanismus. Wenn es hinter einem Urmenschen im Gebüsch raschelte, hat er nicht lange überlegt, ob das der Wind oder ein Säbelzahntiger ist. Er hat Angst bekommen und ist weggerannt. Auch wenn er in 99 von 100 Fällen umsonst geflüchtet ist, hat ihm die Angstreaktion in dem einen Fall, wo es doch der Tiger war, das Leben gerettet.
Die körperliche Reaktion
Der Aphorismus „Angst verleiht Flügel“ des französischen Erzählers Gustave Flaubert beschreibt die körperliche Reaktion auf Angst sehr treffend. Alle Sinneswahrnehmungen werden geschärft, das Stresshormon Adrenalin wird in hohen Mengen ausgeschüttet und der Körper ist auf Flucht programmiert. Momente großer Angst verleihen dem Menschen oft ungeahnte Körperkräfte und er kann quasi vor der Gefahrenquelle „wegfliegen“. Ist die Gefahr vorüber, fährt der Organismus relativ rasch wieder auf Normalbetrieb herunter.
Reale versus irreale Angst
Hatte der Mensch der Urzeit noch vorwiegend mit tatsächlich lebensbedrohlichen Gefahren zu kämpfen, ist das Bedrohungsszenario heutzutage ein komplett anderes. Hören wir von einem Terroranschlag, bei dem 300 Menschen ums Leben kamen, überfällt uns Beklemmung und eine diffuse Angst selbst Opfer zu werden. Die mehr als 3.000 Verkehrstoten jährlich in Deutschland blenden wir hingegen aus, sobald wir ins Auto steigen. Je weniger greifbar eine Bedrohung ist, desto diffuser ist die damit einhergehende Angst. Im Auto haben wir selbst die Hände am Steuer, die Aktionen von Terroristen dagegen sind völlig unberechenbar und losgelöst von unserem eigenen Handeln. Entwickelt sich aus der Angst eine Angststörung, spricht man von einer Phobie. Diese ist oft gekennzeichnet von einer übertriebenen Furcht, die der Situation nicht mehr angemessen ist. Betroffene suchen oft ihr Heil in der Vermeidung des Angstauslösers, beispielsweise Menschenmassen (Demophobie), enge Räume (Klaustrophobie) oder große Freiflächen (Agoraphobie). Phobien sind für Außenstehende oft nicht nachvollziehbar und haben die merkwürdigsten Auslöser. So leidet beispielsweise ein Anatidaephobiker unter der Angst von Enten beobachtet zu werden. Die Anatidaephobie zählt zu den über 600 medizinisch anerkannten Phobien.
Umgang mit Ängsten
Wenn Ängste oder Phobien beginnen die Lebensqualität einzuschränken und sich zunehmend in den Wahrnehmungsvordergrund zu schieben, sollte IMMER ein Arzt aufgesucht werden. Dabei ist es egal, ob diese Ängste von anderen Menschen als Nichtigkeiten abgetan oder gar belächelt werden. Nur der oder die Betroffene selbst kann beurteilen, wie ernstzunehmend das Gefühl der Angst ist. In der Regel ist hier der Hausarzt der erste Ansprechpartner. Er kann helfen, den richtigen Facharzt auszuwählen und eine entsprechende Überweisung ausstellen. Oft kann schon dieser erste Schritt, mit dem man sich der Angst widersetzt und aktiv etwas dagegen unternimmt, angstmildernd wirken.
Solange die Ängste nicht überhandnehmen, kann man versuchen folgende Verhaltensmaßnahmen zu verinnerlichen. Sie können helfen belastende Angstgefühle abzuschwächen oder ganz zu vertreiben.
- Sobald die Gedanken beginnen, um ein mögliches Schreckensszenario zu kreisen, STOPP sagen. Und das am besten nicht nur innerlich, sondern laut und deutlich. Die Gedanken hartnäckig in eine andere Richtung zu zwingen, hilft das Angstkarussell im Gehirn zu stoppen.
- Den Verstand einschalten und versuchen, die Angst konkret zu benennen. Indem man nicht versucht, der Angst auszuweichen, sondern sie rational betrachtet, nimmt man ihr schon den namenlosen Schrecken.
- Eine Vertrauensperson ansprechen und fragen, wie er oder sie die Lage beurteilt. Befindet man sich in einer realen Gefahr, die der andere auch so einschätzt, oder ist man Opfer einer irrealen Angst? Darüber sprechen hilft immer!
- Ist die Angst Resultat einer realen Bedrohung, beispielsweise Existenzangst wegen eines Arbeitsplatzverlustes, hilft am besten ein zielgerichtetes und lösungsorientiertes Handeln. Sich der Angst hinzugeben lähmt und lässt die Situation immer auswegloser erscheinen.
Wie immer gilt: In den Kommentaren könnt ihr eure Gedanken, Erfahrungen und Tipps zu diesem Thema gerne mit allen teilen.