Ist Multitasking möglich?

Lesezeit ca. 2 Minuten
Eine Frau mit einem Baby auf dem Schoß multitaskt, indem sie am Laptop arbeitet und Notizen macht, während sie zu Hause sitzt.

Wenn ich in meinem alten Beruf als Erzieher die Frühschicht hatte, wären zwei zusätzliche Arme nicht schlecht gewesen. Oder besser gleich vier. Als erstes setzte ich mit drei Wasserkochern Teewasser auf und verteilte Teebeutel auf sechs große Kannen. Während das Wasser heiß wurde, klapperte ich alle 12 Räume der Kita ab und zog überall die Rollläden hoch. Zurück in der Küche, goss ich die ersten drei Kannen auf, füllte die Wasserkocher erneut und räumte nebenher die zwei Spülmaschinen vom Vortag aus. Bis die zweite Ladung Wasser heiß war, schnippelte ich ein Dutzend Äpfel klein, und verteilte sie schalenweise auf die Gruppenräume.

Dann klingelte es in der Regel und die ersten zwei, drei Kinder kamen noch vor der regulären Öffnungszeit. Ihre Eltern hatten aufgrund der persönlichen Arbeitssituation eine Sonderabsprache mit dem Vorstand getroffen. Okay. Die Kids hefteten sich wie kleine Entchen an meine Fersen, während ich in den Bädern die Bestände von Zahnpasta und Klopapier kontrollierte und dann die Teekannen in die Gruppenräume brachte. Zwischendurch noch schnell eine Schniefnase geputzt, ein gestolpertes Kind getröstet und einen verlorenen Hausschuh gesucht. Dann trudelten nach und nach meine fünf Kolleginnen und 45 weitere Kinder ein. Die eigentliche Arbeit konnte losgehen. Mir war eher nach Feierabend zumute.

Wenn es ganz schlimm kam, war meine direkte Kollegin krank und ich mit 16 Kindern zwischen zwei und vier Jahren alleine. Dann beschränkte sich meine pädagogische Tätigkeit auf reine Schadensbegrenzung. Hups, ich steigere mich hier ja total in ein Plädoyer für mehr und besser bezahlte Erzieher hinein. Ich sollte zum eigentlichen Thema dieses Beitrags kommen: Multitasking. Beim Nachdenken über diesen Begriff kam die Erinnerung an die Kita wie eine Welle über mich, daher der etwas lange Einstieg.

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In den meisten Berufen wird mittlerweile vom Arbeitnehmer erwartet, dass er möglichst viel in kürzester Zeit erledigt. Viele der anfallenden Arbeiten überschneiden sich und dulden keinen Aufschub. Während man die Mails checkt, klingelt das Telefon und ein Kollege hat eine Frage. Vor dem Morgenmeeting muss dann unbedingt noch eine Akte rausgesucht werden und die Geburtstagskarte für den Herrn A. ist auch noch nicht fertig. Purer Stress, gleichermaßen schädlich für Gesundheit und Nervenkostüm. Und vor allem: Je mehr Dinge man gleichzeitig erledigen will, desto mehr Fehler und Ungenauigkeiten schleichen sich ein. Ob Erzieher, Büroangestellte, Hausfrau oder Manager – in jedem Arbeitsfeld lauert die Multitasking-Falle. Und die wenigsten schaffen es, nicht hineinzutappen.

Der Begriff des Multitasking entstammt der Computerwelt. Dort beschreibt er die Fähigkeit eines Betriebssystems mehrere (multi) Aufgaben (tasks) parallel zu erledigen. Diese Anforderung an Maschinen hat sich im Lauf der Zeit auf Menschen übertragen und wird derzeit von Wissenschaftlern kritisch überprüft. Die Fragestellung lautet: Ist der Mensch Multitasking-fähig, oder handelt es sich dabei um einen Mythos?

Ich mach’s kurz: Nein, das menschliche Gehirn ist nicht für echtes Multitasking ausgelegt. Echtes Multitasking? Dazu noch eine kurze Begriffsklärung: Echtes Multitasking bezeichnet das gleichzeitige Ausführen von mindestens zwei komplexen Aufgaben mit verschiedener Zielsetzung. Beispiel: Am Telefon einen Arzttermin vereinbaren und gleichzeitig der Tochter bei den Mathe-Hausaufgaben helfen (Ich weiß, macht niemand, das dient nur der Veranschaulichung). Das Gehirn kann nicht beides gleichzeitig bewältigen und „springt“ daher permanent zwischen den Aufgaben hin und her. In der Konsequenz steigen Zeitaufwand und Fehlerhäufigkeit. Anders ist es beispielsweise beim Autofahren: Gleichzeitig lenken und schalten ist kein Problem, weil beide Aufgaben die gleiche Zielsetzung haben: Das inklusive Insassen möglichst heil nach Hause zu bringen. Beim Autofahren ohne Freisprechanlage zu telefonieren (andere Zielsetzung) ist daher nicht ohne Grund verboten.

Menschen, die häufig in die Situation kommen, mehrere Dinge gleichzeitig erledigen zu müssen, schneiden in Multitasking-Testreihen besser ab als Menschen, die in der Regel nur einer Tätigkeit ihre Aufmerksamkeit widmen müssen. Das bedeutet: Das Gehirn ist zwar nach wie vor nicht zum Multitasking fähig, kann aber auf das schnellere Umschalten zwischen den einzelnen Aufgaben trainiert werden. Diese Fähigkeit ist zwar auf den ersten Blick positiv, allerdings steht das Gehirn dabei im Dauerstress und ermüdet schneller.

Wie kann man die Multitasking-Falle (speziell bei der Arbeit) vermeiden? Hier ein paar Tipps:

  • Eine neue Arbeit erst beginnen, wenn die alte abgeschlossen ist
  • Jeder Aufgabe möglichst die volle Aufmerksamkeit widmen
  • Am PC: Pop-Ups deaktivieren, Mails nicht zwischendurch lesen, sondern gesammelt abarbeiten
  • Wenn möglich: Telefon abstellen (wenn man nicht gerade im Call-Center arbeitet)
  • Prioritäten setzen und die Reihenfolge der Arbeiten nach ihrer Dringlichkeit festlegen
  • Ausreichend Puffer-Zeit einplanen und sich nur ein realistisches Arbeitspensum vornehmen
  • Störungen vermeiden
  • Auf ausreichend Entspannungspausen achten

Das klingt erst einmal banal, aber selbst wenn man nur auf einige dieser Dinge achtet, wird sich eine spür- und messbare Verbesserung der Arbeitsqualität einstellen.

Ach ja: Auch der Mythos, dass Frauen eher Multitasking beherrschen als Männer, ist genau das: Ein Mythos. Hier mache ich jetzt Schluss und werde Fernsehen gucken und Chips essen… das kriege ich gerade noch so gleichzeitig hin.

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10 Kommentare

Hallo lieber Kriss,
für die deutsche Industrie oder Bauwirtschaft hast Du - wegen der Beispiele - wohl noch nicht gearbeitet.
Da sieht es für die Fachleute, die im Außendienst der Firmen 60-70 Stunden pro Woche tätig sind, oft anders aus.
Da müssen z.B. beim Autofahren auf 100 bis 500 km Nachhauseweg mindestens 2, manchmal 6 oder 8 Leute angerufen werden. Da muss denen am Telefon erklärt werden, wie z.B. der geriissene Großbehälter für Trinkwasser repariert werden soll, einem der Chefs der Wochenablauf erläutert werden, weil man irgendeinen S-Kunden (mit "kleiner Aufmerksamkeit") nicht besuchen konnte.
Zu Hause steht das Abendbrot 20 oder 21 Uhr neben dem PC. Da erzählt man nebenbei, wie der Rest der Woche abläuft, wann man früh raus muss, wann man wieder einmal zu Hause ist, schreibt Protokolle, Leistungsbeschreibungen etc., hat aber panische Angst, dass man mal wieder vor dem blauen Bildschirm sitzt und bis 1 Uhr nacharbeiten muss...
Stress, Multitasking? - die Chefs unserer GmbH & Co. KG (oder "Stiftungen") haben da kein Problem, wer Probleme hat, darf ja auch zu Hause bleiben!
😜 Ich denke auch in den meisten Berufen ist es kaum möglich eine Arbeit fertig zu machen und dann erst die nächste anzufangen. Aber die Anregungen sind gut und man kann es ja wenigstens mal versuchen?
Ich hatte auch viel Stress im Beruf, da hätte ich niemals das Telefon abstellen können, meine Chefin hätte mir sonst was erzählt. Und ja, es kam auch vor, dass das Telefon bedient werden musste, im PC für einen Kunden etwas nachschauen, der Kollegin eine Frage beantworten (weil auch sie Kundschaft hatte) usw. usw.
Das war nun halt mal so, die Betonung liegt auf war (!) denn jetzt nehme ich meinen Resturlaub, sprich ich bin Rentnerin und habe mir damals schon geschworen, es dann ruhig angehen zu lassen. Also nicht zu viel Aktivitäten und Verabredungen mit Gott und der Welt, nur weil man beweisen muss, dass man ja so ein dynamischer Rentner ist! Nein - ich genieße es jetzt, meine Zeit nach meinen Bedürfnissen und Wünschen einteilen zu können, ist eben die Entschädigung für den turbulenten Arbeitsstress😋