Gestern Nachmittag ist mein PC spontan mutiert: Von der allwissenden, stets mit Google-Input gefütterten World-Wide-Web-Schnittstelle zu einer besseren Schreibmaschine. Tippen kann ich noch, alle anderen Funktionen sind dem Telekom-Blackout zum Opfer gefallen. Kein Internet, der Supergau.
Zuerst habe ich noch überlegt, ob ich die Rechnung nicht bezahlt habe…kontrollieren konnte ich das nicht, Online-Banking sei Dank. Ich beschloss die Service-Hotline meines Anbieters mit dem schicken Logo in Magenta anzurufen. Tüdeldüdeldü, hier werden Sie geholfen, wie schon Verona-wie-heißt-sie-noch-gleich wusste. Nicht das Teppichluder, die andere. Ach, sowieso egal, das Festnetz-Telefon funktionierte nämlich auch nicht.
Also ein neuer Versuch mit dem Handy. Schnell noch mit *100# den Guthabenstand meiner Prepaidkarte gecheckt und gehofft, dass 6,59 Euro für die Warteschleife reichen. Als eine freundliche Computerstimme mir mitteilte, dass die geschätzte Wartezeit bei über zwei Stunden liegen würde, schwante mir Böses. Vor meinem inneren Auge erschienen Bilder der von Terroristen besetzten Telekomzentrale in…ja wo denn noch gleich? Ich wollte es gerade googeln, als es mir siedend heiß wieder einfiel: Kein Internet, kein Google, keine Info. Eine Weile lauschte ich noch der beruhigenden Stimme am Telefon, meiner einzigen Verbindung zur Außenwelt. Dann legte ich auf.
Als wir vor drei Jahren den Vertrag für das ganze Entertain-Paket unterschrieben haben, klang das richtig toll: Internet, Telefon und Fernsehen, alles im rasanten DSL-Tempo, und alles aus einer Hand, beziehungsweise Dose. Dieser damals scheinbare Vorteil war jetzt in Sekundenschnelle zur digitalen Mausefalle geworden. Nichts ging mehr. Ich wartete auf Lautsprecherwagen, die durch unsere Straße fahren und mit blecherner Megafonstimme den Ausnahmezustand verkünden würden. Nichts geschah. Wahrscheinlich hätten wir auf Innenminister Thomas de Maizière hören sollen und uns Wasser und Konserven für zehn Tage und vor allem ein batteriebetriebenes Kurzwellenradio besorgen sollen. Seit vor Jahren die Sirenen auf den Hausdächern abmontiert wurden, kriegt man ja sonst nichts mehr mit im Katastrophenfall. Als wir diese Sicherheitsvorschläge vor einigen Wochen in den Nachrichten hörten, haben wir darüber gelacht. Und darüber, wie de Maizier bei seiner Ansprache zur möglichen Sicherheitsbedrohung hinter den dicken Brillengläsern bedeutungsvoll mit den Augen zwinkerte. Jetzt war uns irgendwie gar nicht mehr zum Lachen zumute.
Mittlerweile war es Abend geworden und meine beste Frau von allen machte den Vorschlag ins Bett zu gehen. Einfach wegschlafen, die ganze Sache. Morgen früh würden wir aufwachen und die sechs grünen Leuchtdioden unseres momentan toten Routers würden uns fröhlich blinkend einen guten Morgen wünschen. Als 1973 (oder war es 1972? Verdammt, gemeinsam mit Google ist mein Außengehirn abgestürzt) in ganz New York der Strom ausfiel, haben die Menschen das auch so gemacht. Zumindest besagt das der Ausschlag in der Geburtenrate neun Monate später. Also gingen wir ins Bett. Ich schlief schlecht in dieser Nacht. Meine Träume waren ein wirres Durcheinander apokalyptischer Szenarien, gespeist aus schlechten Filmen und dystopischen Endzeitromanen.
Als ich heute Morgen zwischen verschwitzten Laken aufwachte, galt mein erster Blick dem Router…der Plan mit dem einfach wegschlafen hatte nicht funktioniert. Keine blinkenden Leuchtdioden, ergo kein Internet. Ich kochte Kaffee mit unserer glücklicherweise Internet-unabhängigen Oldschool-Kaffeemaschine. „Auf dem Ku’damm“, sagte meine Frau „war doch mal so ein Telekomladen. Vielleicht gibt’s den ja noch.“ Ja, vielleicht…ich hätte zu gerne schnell im Netz nachgeschaut, aber…naja, ihr wisst ja. Meine Frau hob bedeutungsvoll den Zeigefinger: „Moment, ich habe eine Idee.“ Sie verschwand im Wohnzimmer und ich hörte sie kramen. Sie kam zurück mit etwas in der Hand, das ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte: Ein Telefonbuch vom Berliner Bezirk Wilmersdorf. Toll. Was in dem von der Telekom herausgegebenen Buch nicht stand, war: Der Telekomladen. Also noch eine Nullnummer. Ich zog mich an und beschloss, das Ganze auf althergebrachte Art und Weise zu überprüfen, sprich: Ich würde einfach hingehen.
Anscheinend war ich nicht der einzige mit dieser Idee. Es war kurz vor 10 und vor dem Laden (den es noch gab, meine Frau hat eigentlich immer recht) drängte sich bereits eine Traube nervös auf ihre Handys eintippender Menschen. Alle sahen aus, als hätten sie schlecht geschlafen. Hinter den Glastüren sah man einige hektisch wirkende Mitarbeiter. Der Laden öffnete und gemeinsam mit der Schafherde stellte ich mich in eine Schlange vor den „Service-Points“. Hach, ich liebe Euphemismen. Ich kürze das an dieser Stelle mal ab: Bundesweiter Ausfall wurde mir gesagt. Und nein, sie wüssten nicht wann, aber bald, ganz bestimmt und Entschuldigung und so weiter.
Mittlerweile sind wir 36 Stunden ohne Internet, Telefon und Fernsehen. Was soll ich sagen? Ich habe mal wieder zwei Stunden Gitarre gespielt, eine „Onehundredandeighty“ am Dartboard geworfen und fühle mich ganz gut, so sauber irgendwie. Außerdem habe ich diesen Text in meinen PC gehämmert. Nur wann ich ihn bei Frag-Mutti hochladen kann, steht in den Sternen, direkt da oben, neben der mangetafarbenen Supernova…
Einen Tag später. Update: Vor zwei Stunden ist unser Router angesprungen, die digitale Welt hat uns wieder. Und mein Tipp? Ganz einfach: Nach dem ersten Schock geht’s auch mal ganz gut ohne das WWW…werde ich jetzt öfter machen.
Mittlerweile ist es aber schon so, dass vermutlich die meisten Menschen auch durch einen so flächendeckenden Ausfall nicht vom Internet abgehängt sind - UMTS, LTE und Konsorten sei Dank.Ich hätte zumindest googeln können, was los ist.