Komplimente machen: Topfschlagen im Minenfeld

Komplimente machen: Topfschlagen im Minenfeld
Lesezeit ca. 2 Minuten

Komplimente sind meistens eine feine Sache. Wobei hier die Betonung ganz klar auf meistens liegt. Im günstigsten Fall bescheren sie mindestens zwei Menschen ein gutes Gefühl. Dem, der das Kompliment macht, die Gewissheit seinem Gegenüber eine Freude zu bereiten. Und dem, der das Kompliment bekommt, das wohlige Bewusstsein wertgeschätzt zu werden. Wer aber schon einmal durch ein gemachtes Kompliment mit Karacho in ein Fettnäpfchen getreten ist weiß, dass nicht jede gutgemeinte Äußerung auch so ankommt.

Neulich bin ich auf dem Tauentzien bei der Suche nach einem neuen Paar Sneakers in einem ziemlich hippen Laden gelandet. Streetwear, Skateboards, Basecaps, das ganze Programm für Leute bis 25. Eigentlich kein Problem für mich, obwohl ich die 25 jetzt schon zweimal auf der Lebensuhr habe. Dieses Kein-Problem-Gefühl hielt an, bis mich eine Verkäuferin ansprach: „Na junger Mann, kann ich ihnen helfen?“ Ich schaute mich um. Der Laden war voller Teens und Twens, die durcheinander wuselten, Sachen anprobierten und mit ihren Smartphones Selfies machten. Niemand hatte eine beratende Verkaufskraft im Schlepptau. Sah ich so hilflos aus, dass die Verkäuferin mich aus Mitleid angesprochen hatte? Und was war das mit dem „jungen Mann“? Wenn eine Frau jenseits der 70 mich so anspricht, geht das schon in Ordnung. Aber eine Verkäuferin, die meine jüngste Tochter sein könnte? Irgendwie machte mich dieser als Kompliment getarnte Satz wütend. Etwas in meinem Gesicht veranlasste die junge Frau einen Schritt zurückzuweichen. Ihr Blick flackerte unsicher. „Nein danke“, antwortete ich „wie ich sehe führen sie keine orthopädischen Schuhe.“ Ich verließ den Laden ohne Sneakers. Bin ich zu empfindlich? Oder kann ich mit Komplimenten einfach nicht umgehen?

Auch interessant:
Mitmenschen etwas gutes tun - Komplimente verschenkenMitmenschen etwas gutes tun - Komplimente verschenken
Glücksbringer selber machenGlücksbringer selber machen

Diese kurze Episode soll nur zeigen, wie immens wichtig es für ein gelungenes Kompliment ist, dass das Gesagte und die realen Bedingungen in einem schlüssigen Verhältnis zueinander stehen. Dazu fällt mir Saywer ein, der Womanizer aus der legendären TV-Serie „Lost“. Er ist davon überzeugt, dass es drei Dinge gibt, die ein Mann seiner Frau regelmäßig sagen sollte, wenn er mit ihr in Frieden leben will. Erstens: „Genau“. Zweitens: „Es tut mir leid“. Drittens, und laut Saywer am wichtigsten: „In dieser Hose sieht dein Hintern fantastisch aus.“ Im Film funktioniert das, aber im wirklichen Leben? Ich habe das Kompliment mit dem Hintern einem Praxistest unterzogen. Meine Verlobte war entzückt. Was aber mit Sicherheit daran lag, dass sie sich gerade mit ihrer neuen Jeans im Spiegel begutachtete. Hätte ich ihr das gleiche gesagt, während sie in ihrer Schlabber-Jogging-Haushose die Wäsche aufhängt, wäre ihre Reaktion mit Sicherheit mehr irritiert als erfreut ausgefallen. Was schließen wir daraus? Neben dem logisch richtigen Verhältnis zwischen Gesagtem und Wirklichkeit ist auch das Timing eines Kompliments von entscheidender Bedeutung.

Johannes Heesters, der unvergessene Grandseigneur, hat einmal gesagt: „Ein Kompliment ist die charmante Vergrößerung einer kleinen Wahrheit.“ In meinen Augen ein sehr weiser Satz, der das Wesentliche eines guten Kompliments auf den Punkt bringt. Was er voraussetzt, ist ein echtes Interesse am Gegenüber. Nur wenn ich genau hinschaue, entdecke ich die „kleine Wahrheit“ an einem Menschen und damit die Grundlage für ein echtes Kompliment. Womit wir die perfekte Überleitung zum Punkt „Echtes Kompliment vs. Fake-Kompliment“ haben. Ich kenne eine Reihe von Amerikanern hier in Berlin, die ich immer wieder mal auf den Partys gemeinsamer Bekannter treffe. Nach dem zehnten „Ohh, you look soooo beautiful tonight“, das sie irgendwem an den Kopf donnern, glaube ich ihnen kein Wort mehr. Bitte nicht missverstehen: Ich mag die amerikanischen Freunde meiner Freunde von Herzen gern, aber das inflationäre um-sich-schmeißen mit Floskeln finde ich grauenhaft. Warum das gerade unter Amerikanern anscheinend zum guten Ton gehört ist mir ein Rätsel. Und das ausgerechnet in Berlin, wo der Ur-Berliner sich mit Komplimenten eher schwertut. In der Hauptstadt ist ein kerniges „So scheiße siehst du heute ja gar nicht aus“ durchaus als Kompliment zu verstehen. Das ist für Neuberliner gewöhnungsbedürftig, aber erfrischt durch seine raue Herzlichkeit.

Ach ja, noch in eigener Sache: Mir ist bei Frag Mutti ja schon des Öfteren das zweifelhafte Kompliment gemacht worden, meine Tipps seien so herrlich tippfrei. Also werde ich mich auch bei diesem Beitrag daran halten und nicht mit einem Tipp, sondern einem Kompliment schließen: Ihr seid ganz tolle Leser, wenn ihr bis hierhin durchgehalten habt. Ehrlich.

Wie findest du diesen Tipp?

Voriger Tipp
Reizwörter bei Frag Mutti (+Song)
Nächster Tipp
Probleme im Umgang mit Tipps?
Tipp erstellt von
am
Jetzt bewerten!

Bewerte jetzt diesen Tipp!
Vergib zwischen ein und fünf Sternen:

4,2 von 5 Sternen
auf der Grundlage von
Passende Tipps
Mitmenschen etwas gutes tun - Komplimente verschenken
Mitmenschen etwas gutes tun - Komplimente verschenken
11 20
Glücksbringer selber machen
Glücksbringer selber machen
6 3
58 Kommentare

Kriss, fass es bitte nicht als Kritik auf, aber ich finde, in dem Fall warst du zu "empfindlich". 😉
Ich selbst ertappe mich ab und an dabei, wie ich zu einem älteren Mann "junger Mann" sage und mir aber gar nichts dabei denke. Sicherlich ist das absoluter Unsinn von mir! Ich weiß auch gar nicht, warum ich das tue, aber soll ich sagen: "Hey Sie da!". Ich könnte vlt. noch sagen "Der Herr" das wäre zugegebenermaßen eine bessere Möglichkeit, wenn auch etwas steif. Aber manchmal fällt mir halt das Passende nicht ein und ich will ja nicht sagen: "Alter Mann, kann ich Ihnen helfen?" Hinterher schmeißt er mir noch sein Gebiss hinterher! 😄 Ich denke, es ist nicht negativ gemeint, sondern einfach eine Form des Ansprechens, wenn auch eine Unsinnige!
Ich selbst übe mich darin, nicht jedes Wort auf die Waagschale zu legen, was mir auch manchmal schwerfällt.
Ja, Du bist zu empfindlich.
Als Antwort auf die nett gemeinte Frage, ob der junge Mann Hilfe brauche, empfehle ich: "Gern. Und könnte ich das mit dem jungen Mann nochmal hören?"
Ich stimme Kriss auf jeden Fall zu. Ich hasse diese gedankenlos hingesagten Floskeln. Und genauso ist es auch bei dir, @ebenich. (nicht bös gemeint) Aber du hast ja selbst erkannt, das es eigentlich Unsinn ist.
Die Antwort mit den orthopäd. Schuhen hätte ich zwar nicht gegeben, aber ich hätte innerlich den Kopf geschüttelt.
Warum soll ich wildfremden Menschen Schönes WE wünschen? Vielleicht erleben die gerade ne schlimme Zeit, warum auch immer. Und die "Grüße unbekannterweise"...auch so ein Schwachsinn.
Wenn ich jemanden grüßen lasse und Schönes WE wünsche, dann bei Bekannten und dann meine ich es auch genau so.

Tipp online aufrufen
Hol dir unsere besten Tipps als PDF / eBook!

Du druckst gerne unsere Tipps und Rezepte aus? Unter www.frag-mutti.de/ebooks findest du unsere besten Tipps und Rezepte zum Abspeichern und Ausdrucken. Nur 2,90 €!