Milch – ein ganz besonderer Saft
"Milch macht müde Männer munter!" Dieser mittlerweile als geflügeltes Wort geltende Slogan wurde bereits in den 1950er Jahren von der westdeutschen Milchwirtschaft entwickelt. In literarischer Form eines Tautogramms (der Wortanlaut "M" wird in jedem Wort des Satzes wiederholt) sollte die Botschaft in Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeiten ein positives Image der Milch prägen. Der große Erfolg dieser Absatzförderungskampagne zog zahlreiche Folge-Slogans nach sich. Den höchsten Bekanntheitsgrad dürfte der aus den 1980ern stammende Satz "Die Milch macht´s!" besitzen. Knackig, aber wenig aussagekräftig.
Bei Einschlafproblemen raten Ärzte häufig zu einem Glas warmer Milch vor dem Zubettgehen. Trotzdem soll Milch munter machen? Und was genau "macht" die Milch denn nun?
In den letzten Monaten ist Milch immer häufiger als angebliche Ursache verschiedener Zivilisationskrankheiten in den Fokus geraten. Die Medien regieren gespalten: Teilweise wird eine Veganer-Kampagne gegen alles "tierische" dafür verantwortlich gemacht. Andere Quellen behaupten, dass neue Studien erhöhten Milchkonsum als bedenklich einstufen.
Bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von 90,34 Kilogramm Frischmilcherzeugnissen in Deutschland (2013)*, wird es höchste Zeit den Zankapfel dieser Diskussion einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Milch in aller Munde
Der Ausdruck "Milch" wird im Deutschen fast ausschließlich als Synonym für Kuhmilch verwendet. Die menschliche Milch aus der weiblichen Brust wird explizit als Muttermilch bezeichnet. Bei Milch anderer Herkunft muss hingegen der Name des milchproduzierenden Tiers mitgenannt werden, wie beispielsweise Ziegenmilch, Schafsmilch oder Büffelmilch.
In allen Fällen wird diese sogenannte kolloidale Dispersion (Lösung) als weiße, wässrige und undurchsichtige Flüssigkeit in den Milchdrüsen von weiblichen Säugetieren produziert. Ihre Hauptbestandteile sind Wasser, Milchfett, Milchzucker und Proteine. Mit dieser Nährflüssigkeit säugen Tiere ihre Jungen und stillen Mütter ihre Neugeborenen. Darüber hinaus wird die Milch domestizierter Nutztiere vom Menschen als Nahrungsquelle genutzt.
Ein Großteil der in der Tierhaltung gewonnenen Milch wird in Molkereien und Käsereien zu anderen Produkten weiterverarbeitet. Dies geschieht in der Regel durch einen "kontrollierten Verderb", der mittels zugesetzter Milchsäurebakterien oder Lab ausgelöst wird. Dabei entstehen typische Milchprodukte, wie beispielsweise Butter, Sahne, Quark, Joghurt oder Käse.
Milch ist nicht gleich Milch
Die Auswahl an verschiedenen (Kuh)-Milchsorten ist groß. Für die Unterscheidung der verschiedenen Milch-Arten sind aber lediglich zwei Kriterien von Bedeutung: Der Fettgehalt und die Methode der Konservierung. Bei dem Fettgehalt unterscheidet man zwischen:
- Vollmilch mit mindestens 3,5 % Fett,
- fettarmer Milch mit einem Fettgehalt zwischen 1,5 % und 1,8 % und
- Magermilch mit maximal 0,5 % Fettanteil.
Nicht im Supermarkt, sondern direkt vom Erzeuger-Hof, ist Rohmilch mit einem Fettgehalt von bis zu 5,0 % erhältlich. Vereinzelt gelangt auch abgepackte Rohmilch unter dem Namen Vorzugsmilch in den Einzelhandel.
Bis auf Roh- und Vorzugsmilch werden alle Milchsorten durch verschiedene Erhitzungsverfahren länger haltbar gemacht. Alle Verfahren basieren auf der von dem französischen Chemiker Louis Pasteur im Jahr 1822 entwickelten Technik des Pasteurisierens. In folgender Übersicht werden die verschieden konservierten Milchsorten kurz vorgestellt:
- Pasteurisierte Milch / Frischmilch: 15 bis 30 Sekunden Erhitzung der Milch auf 72 bis 75 Grad Celsius und rasche Abkühlung. Gekühlte Frischmilch ist etwa sechs bis acht Tage haltbar.
- ESL-Milch: Die Abkürzung ESL steht für Extended Shelf Life (verlängerte Haltbarkeit). Die Milch wird kurzzeitig auf 123 bis 127 Grad Celsius erhitzt und ist gekühlt und ungeöffnet bis zu drei Wochen haltbar. Im Handel wird sie zumeist mit einem Vermerk "extra länger frisch" oder ähnlich gekennzeichnet.
- Ultrahocherhitzte Milch / H-Milch: Wird wenige Sekunden auf 135 Grad Celsius erhitzt. H-Milch ist ungeöffnet bei Raumtemperatur bis zu drei Monaten haltbar.
Der auf Milch-Verpackungen häufig zu findende Vermerk homogenisiert besagt, dass die in der Milch enthaltenen Fettkügelchen durch mechanische Verfahren zerkleinert wurden. Dadurch wird das sogenannte "Ausrahmen" verhindert und die Milch ist leichter verdaulich.
Alternativen zur Milch
Für Menschen, die aus ethischen oder gesundheitlichen (Laktoseintoleranz) Gründen keine tierische Milch zu sich nehmen wollen oder dürfen, werden im Handel verschiedene Alternativ-Produkte angeboten. Am bekanntesten sind Sojamilch, Reismilch und Mandelmilch. Aus rechtlichen Gründen dürfen diese Produkte aber nicht mit dem Zusatz "Milch" angeboten oder beworben werden. Hier hat sich der ergänzende Begriff "Getränk" etabliert (z.B.: Soja-Getränk).
No Milk today?
Über die Sinnhaftigkeit von Pro-Milch-Slogans (Die Milch macht´s) und die darin getroffenen Aussagen lässt sich streiten. Fest steht: Der Verzehr von Milch- und Milchprodukten gehört seit etwa 10.000 Jahren zu unserem Kulturkreis. Daran werden auch (ohnehin umstrittene) Studien über eventuelle Gesundheitsrisiken wenig ändern. Auch der vegane Versuch Milch als dick- und krankmachendes Lebensmittel darzustellen, wird nur einen kurzen Hype auslösen.
Bleibt zu guter Letzt noch den bei Berichten über Lebens- und Genussmittel immer zutreffenden Paracelsus-Satz zu zitieren: "Allein die Menge macht das Gift!". Machen wir es wie Obelix und ertränken unsere Sorgen lieber in Ziegenmilch als in Cervisia, oder?
*Quelle: © Statista 2015