Hätte ich doch mal...!? Über das Leben im Konjunktiv

Lesezeit ca. 2 Minuten
Ein Wanderer steht an einer Weggabelung und überlegt, welchen Pfad er im Leben wählen soll. Klarer Himmel, grüne Umgebung.

Hätte, hätte, Fahrradkette…

Was alles so möglich gewesen wäre, hätte man damals bloß anders gehandelt, entschieden oder reagiert… Aber so? Ist es halt das geworden, was es ist. Aber phantasieren darf man doch über das „was wäre wenn“, oder? Klar darf man das. Ob es jedoch hilfreich oder sinnvoll ist, sei dahingestellt. Wenn ich mich als Kind über eine vermeintlich falsche Entscheidung geärgert habe, hat meine Oma immer gesagt: „Über verschüttete Milch lohnt es sich nicht zu jammern.“

Damals habe ich nicht verstanden, was verschüttete Milch mit meinen Legosteinen zu tun haben soll. Die hatte ich mit dem diffusen Gefühl für Lego „zu groß“ zu sein meinem kleinen Cousin geschenkt. Bereits am nächsten Tag habe ich das bitter bereut und rumgeheult. „Geschenkt ist geschenkt“, kommentierte mein Vater das Gejammer und damit war die Sache endgültig entschieden. Dumm gelaufen, aber sehr lehrreich.

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Der Mensch als Spielball des Lebens?

Seitdem ist viel Zeit vergangen und mein heutiges Leben ist das Resultat unzähliger Entscheidungen, die ich getroffen habe. Hätte ich mich an einigen markanten Wegpunkten anders entschieden, wäre mein Leben völlig anders verlaufen. Ich hätte vielleicht einen besser bezahlten Job, würde nicht in dieser Stadt leben und mein Freundeskreis würde aus anderen Menschen bestehen. Möglicherweise wäre das besser, aber das weiß ich natürlich nicht. Lohnt es sich zu jammern? Über vermeintlich vertane Chancen und all das, was ich nicht habe? Ich denke nein.

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Seltsamerweise begegne ich andauernd Menschen, die genau das tun: Sie beklagen sich ständig über falsch getroffene Entscheidungen oder verpasste Möglichkeiten und die daraus entstandene Misere. Gedanklich leben sie in einer was-hätte-sein-können-wenn-nicht-alles-anders-gekommen-wäre-Welt. Dabei übersehen sie häufig das Gute an dem, was sie tatsächlich haben. Es macht auf mich den Eindruck, als fühlten sie sich wie ein Ball, der völlig planlos über das Spielfeld des Lebens gekickt wird. Diese Beobachtung führt geradewegs zu meiner These:

Der Konjunktiv verhindert ein selbstbestimmtes Leben

Um bei dem Sinnspruch meiner Oma zu bleiben: Wer noch lange der „verschütteten Milch“ nachweint, hadert mit Umständen des Lebens, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Es ist natürlich zutiefst menschlich über vertane Chancen oder falsche Entscheidungen traurig zu sein. Wichtig dabei ist nur, vor lauter Trauer nicht den Moment zu verpassen, in dem es gilt die Scherben zusammenzukehren und die Milch aufzuwischen. Verharren wir zu lange in der Situation des Nachtrauerns, überschattet dieses Gefühl alle anstehenden Entscheidungen und drängt uns in eine passive Opferrolle. Positives und selbstbestimmtes Handeln ist in solchen Phasen nur schwer möglich.

Wo bleibt der Tipp?

Für diejenigen unter euch, die sich gerade diese Frage stellen: Ich hoffe, dass dieser Beitrag als Gedankenanstoß und Chance zum Erfahrungsaustausch verstanden wird. Ein konkreter Tipp wie beispielsweise: „Einfach immer einmal öfter aufstehen als man hinfällt“ ist in diesem Zusammenhang schwierig und wahrscheinlich auch wenig hilfreich. Letztendlich muss jeder Mensch für sich selbst den passenden Umgang mit den enttäuschenden Momenten des Lebens finden. Nichtsdestotrotz möchte ich euch noch eine kleine Übung vorstellen, die mir in meinen persönlichen „zu-viel-Konjunktiv-Gejammer-Momenten“ schon des Öfteren geholfen hat.

Die kritische Bestandsaufnahme

Noch bevor die Lache der verschütteten Milch sauer zu stinken beginnt, kann es sehr hilfreich sein eine persönliche Inventur vorzunehmen. Dazu braucht man lediglich ein leeres Blatt Papier und einen Stift. Und natürlich die Bereitschaft auf schwierige Fragen auch möglicherweise unbequeme Antworten zu finden.

Auf das Blatt zeichnet ihr eine Tabelle mit drei Spalten. In die erste Spalte schreibt ihr spontan alle Umstände eures Lebens, über die ihr momentan jammert oder jammern könntet. In die zweite Spalte kommen die Gründe, warum ihr die jeweilige Sache unbedingt ändern solltet. Und in die dritte Spalte kommen die Gründe dafür sie nicht zu ändern.

Falls die Gründe für oder gegen eine Veränderung in Spalte zwei und drei in etwa gleichstark sind, solltet ihr ganz konkret eure persönlichen Vor- und Nachteile abwägen, die euch entstehen, wenn ihr etwas beim Alten belasst oder ändert.

Sprechen bessere Gründe dafür etwas nicht zu ändern, könnt ihr versuchen die positiven Seiten des „Jammergrunds“ mehr in den Fokus zu rücken, um ihn letztendlich gelassener annehmen zu können.

Spricht mehr für Veränderung, kann die Änderung der jeweiligen Punkte eure neue Zielsetzung für die kommende Zeit sein.

Soweit von meiner Seite aus zu einem Thema, das mich schon seit längerem beschäftigt. Ich bin sehr gespannt auf euer Feedback in den Kommentaren.

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8 Kommentare

Dein Thread hat mich "a bisserl neigierig g´mocht" und deshalb habe ich es angeklickt.

Ich bin mit meinem Leben sehr zufrieden und habe mir daher diese Frage noch nie gestellt. Grundsätzlich aber finde ich Deine Denkweise völlig richtig. Wäre man damals einen anderen Weg gegangen - sprich: "hätte man doch" anders entschieden - es wäre kein Garant dafür dass man sich diese Frage heute nicht stellen würde, denn wer weiss schon, ob ein anderer Weg überhaupt richtig gewesen wäre.

Mit seinen damaligen Entscheidungen nicht zu hadern, sondern sie - und alles damit zusammen hängende zufrieden anzunehmen - ich glaube, das macht optimistische Menschen aus. Und diese brauchen wir ! (ich mag mir gar nicht vorstellen wie "ätzend" es wäre, hätte man nur noch jammernde Pessimisten um sich herum)
S kümmt wies kümmt sagt der Norddeutsche und sieht die Zukunft mit Gelassenheit. Wat wür det wür und is eh nicht mehr zu ändern.
Naja, ich bin auch zufrieden mit dem Leben, Höhen und Tiefen gehören dazu, sonst wäre es langweilig. Auf manche Tiefen hätte ich verzichten können, aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Mir kann nichts tiefgreifendes passieren, meine Kinder habe ich zu guten Menschen aufgezogen, ich habe ein Dach überm Kopf und immer satt zu essen. Die meisten Menschen haben das nicht und warum sollte ich da unzufrieden sein. Ich habe meinen Pflichtteil an die Gesellschaft geleistet und mehr, jetzt will ich in Ruhe alt werden und mir noch so ein paar kleine Wünsche erfüllen. Psssst...wird nicht verraten. Wann immer ich mich von dieser Welt verabschiede, ich kann es mit erhobenem Kopf und reinem Gewissen sagen, es hat sich gelohnt zu leben.
@Upsi: das hast du sehr gut geschildert. Genauso handhabe ich es auch.

Es ist für mich müßig, zu grübeln was wäre wenn. Passiert ist passiert und lässt sich im Nachhinein nicht mehr rückgängig machen. Sollte eine Handlung in der Vergangenheit sich als Fehler herausgestellt haben, buche ich es als Lehrgeld ab und hoffe, daraus gelernt zu haben und in Zukunft anders zu handeln (obwohl - ich kann mich im Moment an keine schwerwiegenden Fehler erinnern)