Inkontinenz ist ein Thema, über das man gut Lachen hat, solange es einen nicht betrifft. Wenn es dann so weit ist, verstecken sich viele Betroffene vor Scham und greifen lieber auf Hygieneprodukte zurück, die nur an den Symptomen herumdoktern, aber nicht die Ursachen beheben. Dabei gibt es zwei gute Nachrichten.
- Vorbeugendes Beckenbodentraining kann Schäden verhindern bzw. minimieren. Wer in jungen Jahren mit dem Beckenbodentraining beginnt, kann - wenn es darauf ankommt - den Beckenboden richtig einsetzen oder die Übungen zur Rehabilitation leichter durchführen.
- Es ist nie zu spät: Der Beckenboden kann auch nach Schädigung trainiert werden. Auch wenn geschädigte Muskulatur nicht wieder repariert werden kann, können benachbarte Muskeln deren Funktion übernehmen. Das Biofeedback-Prinzip hilft verborgene Muskulatur zu aktivieren, die durch eigene Anstrengung nicht entdeckt werden.
Die Beckenbodenmuskulatur schließt den Bauchraum wie eine Hängematte nach unten ab. Sie hat viele wichtige Funktionen: Sie stützt die Organe des Bauchraums, sorgt für eine gute Haltung, wirkt sich günstig auf das sexuelle Empfinden aus und unterstützt die Schließmuskeln, sorgt also dafür, dass Urin oder Stuhlgang nicht versehentlich abgehen. Eine gute Beckenbodenmuskulatur ist also ganz entscheidend für ein gutes Lebensgefühl.
Verschiedene Lebensumstände schwächen die Beckenbodenmuskulatur: Schwangerschaft und Geburt, Hormonveränderungen, Bindegewebsschwäche, Operationen, Übergewicht und falsche Körperhaltung (beim Lastentragen).
Beckenbodentraining kann vorbeugend betrieben werden. Sind bereits Probleme entstanden, sollte der Rat von den entsprechenden Fachleuten (Hebamme, Frauenärztin, Urologe, Ergotherapeut etc.) eingeholt werden, damit die Probleme durch das richtige Beckenbodentraining effektiv behoben werden können.
Ziel des Trainings ist es, die Muskulatur bewusst wahrzunehmen, Anspannen und Entspannen der Muskulatur zu erlernen und die Muskulatur langsam und bewusst aufzubauen.
1. Information
Informiert euch über den Aufbau des Beckenbodens und holt medizinischen Rat ein, wenn bereits eine Schädigung vorliegt. Der Beckenboden ist mit der Wirbelsäule verbunden und hat ganz viel mit der Atmung zu tun. Deswegen ist richtige Haltung und Atmung beim Training ganz wichtig. Informiert euch darüber.
2. Bewusste Wahrnehmung
Am Anfang des Trainings geht es erst einmal darum, den eigenen Beckenboden wahrzunehmen und ein Gefühl dafür zu entwickeln. Wichtig ist, dass auch angrenzende Muskulatur (Gesäß, Oberschenkel, Lenden, Bauch) mit einbezogen wird. Damit möglichst jeder Muskel einzeln lokalisiert, angespannt und entspannt werden kann.
3. Training ohne Hilfsmittel
Anleitungen dafür bekommt man in Kursen, z. B. Rückbildungskurse nach der Geburt, oder in Handbüchern oder als Therapie auf ärztliches Rezept. Wichtig ist, dass die Übungen nach dem Kursbesuch weitergeführt werden. Übungen können im Liegen, in der Hocke, Vierfüßlerstand, im Sitzen, Stehen durchgeführt werden und später auch in den Alltag integriert werden.
4. Training mit Hilfsmitteln
Es gibt verschiedene Arten von Hilfsmitteln, mit denen die Beckenbodenmuskulatur aufgebaut werden kann.
Es gibt mechanische Hilfsmittel, die dem Prinzip des „Gewichthebens“ folgen. Also zum Beispiel kleine Gewichte, die wie Tampons eingeführt und getragen werden und mit der Beckenbodenmuskulatur vom Herausrutschen gehindert werden. Man gewöhnt den Körper langsam an immer größere Gewichte, beginnend bei 10 Gramm.
Ein anderes mechanisches Hilfsmittel ist auch als Sexspielzeug zu finden, die sogenannten „Liebeskugeln“. Eine Kugel, in deren Innerem eine weitere Kugel gelagert ist. Sie arbeitet nach dem Biofeedback-Prinzip: Der Körper bekommt von außen Impulse und antwortet (unbewusst) darauf. Auch diese Kugel wird vaginal eingeführt und getragen. Während des Tragens bewegt sich die innere Kugel innerhalb der äußeren und stimuliert die Beckenbodenmuskulatur. Diese Stimulation kann durch bewusstes Anspannen und Entspannen des Beckenbodens noch weiter verstärkt werden. Nach einem ähnlichen Prinzip sind die Chinakugeln oder Quigong-Kugeln für das Training der Hand aufgebaut.
Elektrische Hilfsmittel: Batteriebetriebene Geräte, mit verschiedene Sonden für das vaginale oder anale Training arbeiten ebenfalls nach dem Biofeedback-Prinzip. Durch die Sonden werden leichte elektrische Impulse erzeugt, die zur Muskelkontraktion führen. Dadurch werden Muskeln aufgespürt und trainiert, die man selbst gar nicht wahrgenommen hatte. Auch dieses Training kann durch bewusstes Anspannen und Entspannen des Beckenbodens noch weiter verstärkt werden. Im Gegensatz zu den rein mechanischen Geräten, sind die Sonden durch Kabel mit einem batteriebetriebenen Bedienelement verbunden. Es können Art, Stärke und Dauer der Impulse eingestellt werden. Deswegen wird das Training am besten im Sitzen oder Liegen durchgeführt. Diese Hilfsmittel sind vor allem bei Verletzungen des Schließmuskels geraten, wenn die äußere Muskulatur, die Funktion der verletzen inneren Schließmuskel unterstützen oder ersetzen soll. Damit können zum Beispiel die Folgen eines Dammrisses/Dammschnitts während der Geburt oder Verletzungen der Muskulatur durch eine Prostataoperation behoben werden (Natürlich erst nach Heilung der Wunden und Erholung von Geburt oder Operation).
Noppenkissen: Wer viel Zeit des Tages im Sitzen verbringt, sollte sich ein aufblasbares Noppenkissen gönnen. Die Noppen haben einen Massageeffekt und sorgen für eine gute Durchblutung der gesamten Region und können auch Cellulitis vorbeugen. Auf einem solchen luftgefüllten Kissen ist nur „aktives“ Sitzen möglich. Bei der geringsten Gewichtsverlagerung ist die gesamte Muskulatur von Beckenboden und Rücken gefordert, das Gleichgewicht zu halten, was automatisch zu einer guten Sitzhaltung führt. Das Kissen beugt Blasenentzündungen vor und ist entlastend für die Wirbelsäule.
5. Training in den Alltag integrieren
Viele der bewusst erlernten Übungen lassen sich ganz leicht und unauffällig in den Alltag einbauen: Beim Warten an der Bushaltestelle oder der Schlange an der Kasse, im Büro, während der Hausarbeit oder beim Fernsehen. Die Übungen benötigen nur wenige Minuten und sind effektiver, wenn sie regelmäßig wiederholt werden.
6. Beckenbodenbewusstes Alltagsverhalten
Mit einem gut trainierten Beckenboden, kann man sich im Alltag so verhalten, dass der Beckenboden nicht unnötig belastet wird, sondern seine Funktionen bestens ausüben kann. Richtige Körperhaltung und Atmung erlernen, korrekte Bewegungen beim Lastentragen, in Stresssituationen für den Beckenboden (z. B. beim Niesen oder Husten) und vor allem bei allen Bewegungen, die im Alltag häufig vorkommen.
Also „nicht mehr ganz dicht“ ist nur, wer den Beckenboden auf die leichte Schulter nimmt. Beckenbodentraining ist wichtig, damit man auch später noch gut Lachen hat. Mit gut trainiertem Beckenboden hat man nicht nur mehr Grund zum Lachen, es lacht sich auch viel besser. ;-)