Man spricht nicht mit vollem Mund und spuckt nicht auf die Tischdecke. Soweit ist alles klar. Aber was ist außerdem angesagt oder verpönt, welche Verhaltensweisen sind überholt und welche aktuell? Allerspätestens, wenn man im Berufsleben ein Geschäftsessen hat, ist es wichtig, sicher im Umgang mit Essen, Besteck und Gegenüber zu sein. Tischmanieren auf dem neuesten Stand – ein Auflistung ohne Zeigefinger, bitte sehr:
Vor dem Essen
Bei einer Einladung richtet man sich immer nach dem Gastgeber – er tut alles als erster.
Man setzt sich erst, wenn man dazu aufgefordert wird oder der Gastgeber sich setzt. Auch wartet man mit dem Trinken, bis der Gastgeber das Glas erhebt. Auf keinen Fall bringt man schon mal einen Toast aus, bevor der Einladende das Wort ergreift. Kommt das Essen, beginnt man erst, wenn alle am Tisch bedient wurden beziehungsweise sich bedient haben. Die Ausnahme gibt es bei warmen Speisen, wenn Gastgeber oder Tischnachbarn einen ausdrücklich auffordern, zu beginnen.
Wohin mit der Handtasche, meine Damen? Die Regel besagt, dass auf den Tisch nur das Essen gehört. Also Handtasche an die Stuhllehne hängen oder hinter sich auf den Stuhl stellen. Auf den Boden gehören nur Einkaufstaschen! Eine Ausnahme kann man bei Clutches und noch kleineren Abendhandtaschen machen. Diese legt man ebenfalls normalerweise hinter sich auf den Stuhl oder auf den Schoß unter die Serviette. Gerät sie da aber in Gefahr, herunterzufallen, darf man sie zur Not neben sein Gedeck auf den Tisch legen – wenn genügend Platz ist.
Das Handy hat überhaupt nichts auf dem Tisch verloren. Es sollte stumm geschaltet sein.
Makeup am Tisch auffrischen? Auf keinen Fall. Manche sagen, Lippenstift sei erlaubt, manche verneinen das. Auf Nummer sicher geht man, wenn man dafür die Waschräume aufsucht. Da Lippenstiftränder an Gläsern sowieso verpönt sind, kann man das Nachziehen auch auf das Ende der Mahlzeit verschieben.
Beim Essen
Das Besteck. Ist für ein Menue mehrfach eingedeckt, beginnt man mit dem äußersten Besteck und arbeitet sich im Lauf des Essens nach innen vor. Überhaupt Besteck: Benutztes Besteck darf den Tisch nicht mehr berühren. Macht man nur eine kurze Essenspause, dann legt man Messer und Gabel gekreuzt ab, Gabelrückseite nach oben, Stellung zwanzig vor vier. Ist man mit dem Gang fertig, Besteck parallel auf zwanzig nach vier. Das signalisiert dem Service im Restaurant, dass abgeräumt werden kann. Den Teller lässt man selbst übrigens stehen, bitte nicht Richtung Tischmitte schieben, damit man mehr Platz hat.
Die Serviette gehört für die Dauer des Essens auf den Schoß, am besten einmal gefaltet (wenn sie groß genug ist). Den Mund tupft (nicht wischt!) man sich dann immer in der „inneren“ Zone ab, dann sieht die Serviette auch für Tischnachbarn appetitlich aus. Muss man kurz den Tisch verlassen oder nach Ende des Mahls, kommt die Serviette locker gefaltet links neben das Gedeck.
Gläser mit Stiel haben diesen, damit man sie dort anfasst. Das vermeidet Fingerabdrücke am Glas und ein schnelleres Erwärmen kalter Getränke. Vor dem Trinken kurz mit der Serviette die Lippen abtupfen, damit keine hässlichen Fettränder am Glas bleiben.
Haltung, meine Lieben: Aufrecht, nicht in den Stuhl gefläzt. Die Hände gehören auf den Tisch, die Ellenbogen nie. Die Gabel/der Löffel geht zum Mund, nicht umgekehrt. Nachwürzen ist erlaubt. Aber ziemlich unhöflich.
Tipps für das Tischgespräch: Am besten man nimmt immer nur recht kleine Häppchen auf einmal in den Mund, dann hat man denselbigen schnell wieder leer, wenn man angesprochen wird. Das Besteck ist zum Essen da und nicht dazu, Gesagtes zu unterstreichen!
Einzelne, kritische Speisen
Brot und Butter vorab: Man schmiert sich keine Stulle und beißt ab, sondern zupft (und nicht schneidet) ein mundgerechtes Stückchen vom Brot, gibt etwas Butter drauf und schiebt es im Ganzen in den Mund.
Suppe: Weder schlürfen (ist in China en vogue) noch pusten. Ist sie zu heiß, dann sachte rühren. Suppe wird gelöffelt – in welche Richtung ist egal. In Übersee löffelt man eher von sich weg, bei uns eher zu sich hin. Der Löffel geht bei uns mit der Spitze zuerst in den Mund, in England mit der Breitseite. Verpönt ist das Kippen des Tellers, um letzte Reste zu löffeln. Werden klare Brühen in Suppentassen serviert, ist es übrigens laut Knigge erlaubt, die Reste zu trinken – es empfiehlt sich aber, sich eher am Verhalten der Tischrunde zu orientieren.
Salat wird nie geschnitten, höchstens gefaltet. Überhaupt sollte man laut den Manierenpäpsten Salat nur mit der Gabel essen, einhändiges Falten ist allerdings nahezu unmöglich. Ist also das Restaurant oder der Gastgeber so rücksichtslos, die Salatblätter in Originalgröße zu servieren, kann man schon mal das Messer als Falthilfe benutzen.
Fingerfood? Es gibt kaum Speisen, die mit der Hand gegessen werden. Selbst Hühnerkeulen bitte mit Messer und Gabel. In die Hand nehmen darf man Artischocken, Austern, Canapés, Garnelen, Muscheln, Hummer, Spareribs und Wachteln. Miesmuscheln werden mit Hilfe der ersten Muschelschale schnabuliert. Echtes Fingerfood erkennt man, wenn Fingerschälchen zum Säubern auf den Tisch gestellt werden.
Das Problem Gräten und Kerne: Hat man Olivenkerne oder Fischgräten im Mund, dann befördert man sie diskret (eventuell hinter der Serviette) auf die Gabel und legt sie mit dieser am Tellerrand ab.
Spaghetti werden nicht klein geschnitten, sondern mit der Gabel aufgerollt. In Deutschland kann man dazu den Löffel zu Hilfe nehmen.
Notfälle
Niesen, Husten, Peinlichkeit: Überfällt einen der Niesreiz oder ein Hustenanfall, dann wendet man sich zuerst einmal vom Tisch ab und nimmt sein Taschentuch zu Hilfe. Kurz schneuzen ist okay, für eine ausgiebige Nasenreinigung ist vor der Tür sicher der bessere Platz. Apropos „Gesundheit“: Offiziell sagt man es nicht mehr, weil es auf die Schwäche des Gegenüber hinweist, im Gegenteil sollte der Nieser sich kurz entschuldigen. Diese Etikette setzt sich aber sehr langsam durch. Deshalb: Gesundheit!
Sorry, in welchem Prozentsatz von Situationen ist so etwas wirklich relevant? Zum Glück ist der bei mir gleich null, selbst wenn man mich jetzt für einen ungebildeten Barbaren hält.
Ich wage es auch stark zu bezweifeln, dass derart strikte Regeln selbst bei Geschäftsessen relevant sind. Das ist völlig übertrieben. Ich habe sicher keine schlechten Tischmanieren, aber wer auf so etwas in der Form Wert legt, disqualifiziert sich selbst.