Probleme mit der Körpergröße: Das lange Elend

Probleme mit der Körpergröße: Das lange Elend
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Mit meiner Körperlänge von 1,93 Meter bin ich einiges an Kummer gewohnt. Wenn ich bei Regen durch die Stadt laufe, muss ich aufpassen, dass mir niemand die Augen mit seinem Regenschirm aussticht. Außerdem werde ich früher nass als meine Verlobte, die anderthalb Köpfe kleiner ist als ich. Helfe ich einem Bekannten beim Renovieren, bleibt das unangenehme Streichen der Decke garantiert an mir hängen, weil „…du ja so gut da rankommst.“ Die Zahl meiner persönlichen Feinde im öffentlichen Raum ist Legion: Türrahmen jeglicher Art, im Supermarkt von der Decke baumelnde Werbeschilder, auf den Bürgersteig ragende Markisen und Betten in Hotels oder Krankenhäusern, um nur ein paar davon zu nennen. Auch der Kauf einer wirklich passenden Hose gerät schon mal zur Geduldsprobe.

Aber ich will mich nicht beschweren – es gibt auch ein paar Vorteile, wenn man zu den 6,3 Prozent der deutschen Männer über 1,90 Meter gehört. Kein Regal ist zu hoch, kein Küchenschrank hängt zu weit oben und inmitten einer Menschenmenge behalte ich immer den Überblick. Bei Konzerten oder anderen Veranstaltungen diene ich immer als Treffpunkt für meine Begleiter, weil man mich auch im Gedränge wie einen Leuchtturm oben rausragen sieht. Das mag sich jetzt nicht so furchtbar toll anhören, aber als großer Mensch habe ich gelernt, auch die kleinen Vorteile meiner Länge wertzuschätzen.  

Über die eigene Körpergröße denkt man eigentlich nur nach, wenn ein äußerer Umstand sie einem bewusst macht. Sei es, weil man einem viel größeren oder kleineren Menschen begegnet, sich beim Besteigen eines U-Bahn-Waggons bücken muss, oder als kleiner Mensch im Supermarkt nicht an die oberen Regale herankommt. Wissenschaftler der Fachrichtung Anthropometrie beschäftigen sich hingegen ständig mit der Körpergröße. Diese Wissenschaftsdisziplin hat sich dem Studium der menschlichen Körpermaße verschrieben und liefert wichtige Ergebnisse für die ergonomische Gestaltung von Fahrzeugen, Arbeitsplätzen, Möbeln und Werkzeugen.

Logischerweise orientieren sich diese Ergonomie-Experten bei ihren Studien am Durchschnittsmenschen und demzufolge sind die Ergebnisse ebenfalls nur, nun ja: durchschnittlich. Deutsche Männer sind im Schnitt 1,80 Meter groß, Frauen kommen auf 1,66 Meter. Da kann man sich ausrechnen, wie hoch eine normale deutsche Spüle ist. Ich habe gerade einmal nachgemessen, es sind 87 Zentimeter. Also genau die richtige Höhe, um mir prima Rückenschmerzen zu machen. Eine Bekannte von mir ist nur knapp 1,50 Meter groß und stellt sich beim Spülen immer auf ein kleines Fußbänkchen. Ich kann mir aber nun wirklich nicht jedes Mal die Unterschenkel amputieren, wenn ich spülen will. Hinknien funktioniert auch nicht, dann bin ich zu klein. Auf ein Fußbänkchen knien? Das erinnert mich zu sehr an mein kurzes Kindheits-Intermezzo bei den katholischen Messdienern. Wir haben daher eine Spülmaschine, das hilft.

Die kleinsten Menschen, sieht man einmal von den Pygmäen ab, leben übrigens in Indonesien. Dort sind Männer durchschnittlich 1,58 Meter groß (klein?) und Frauen bloß 1,47 Meter. Holländische Männer sind mit durchschnittlichen 1,83 Meter die längsten Kerle weltweit, die Frauen mit 1,69 Meter immerhin noch drei Zentimeter länger als in Deutschland. Was bedeutet das für mich? Wenn ich einen Job als Tellerwäscher annehme, dann lieber in den Niederlanden als in Indonesien. Das ist jetzt aber auch nur hypothetisch.

In den letzten 150 Jahren ist die Durchschnittsgröße der Menschen drastisch angestiegen. Nach einer wissenschaftlichen Auswertung europäischer Größentabellen sind Männer heute etwa 11 Zentimeter größer als zur Mitte des 19ten Jahrhunderts. Und die Frauen? Für die Untersuchung der weiblichen Größenentwicklung in diesem Zeitraum fehlen ausreichend Daten. Die Größe von Männern ist durch ihre Vermessung beim Eintritt in den Militärdienst immer gut dokumentiert worden. Bei Frauen ist die Wissenschaft auf Schätzungen und die Auswertung ihrer sterblichen Überreste in Form von Knochen angewiesen. Die auffällige Zunahme des Größenwachstums erklärt die Anthropometrie mit besserer Ernährung, steigenden Hygienestandards und flächendeckender medizinischer Versorgung. Insbesondere die Qualität der Ernährung in den ersten drei Lebensjahren hat großen Einfluss auf das Längenwachstum (Danke Mama).

Natürlich spielt auch die Genetik eine entscheidende Rolle. Um die zu erwartende Größe eines Kindes abzuschätzen, gibt es eine einfache Faustformel: Man nehme das arithmetische Mittel aus der Größe von Mutter und Vater, addiert bei Jungs sechs Zentimeter und subtrahiert bei Mädchen ebenfalls sechs Zentimeter. Das kommt bei mir persönlich nicht so ganz hin, aber so ist das halt mit Faustformeln. Wer es genauer wissen will, etwa aus Sorge, dass sein Kind extrem groß wird oder sehr klein bleibt, kann beim Arzt eine Röntgenaufnahme der linken Kindeshand machen lassen. Anhand des Entwicklungsstands der sogenannten Wachstumsfugen zwischen den Handknochen, kann der Arzt die zu erwartende Körpergröße mit hoher Genauigkeit voraussagen. Bei entsprechender medizinischer Begründung übernehmen die Krankenkassen die Kosten dieser Untersuchung.

Man gewöhnt sich als langer Mensch übrigens auch an nervige Fragen. Inzwischen antworte ich auf „Na Langer, wie ist die Luft da oben?“ nur noch mit „Gut, und ist bei dir alles klar? Sitzt du noch oder stehst du schon?“

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