Tiefenentspannung durch Zeichnen und Skizzieren

Tiefenentspannung durch Zeichnen und Skizzieren
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Seit geraumer Zeit sind mir in den Auslagen der Buchhandlungen immer öfter Ausmalbücher mit dem Vermerk „Für Erwachsene“ aufgefallen. Beim Durchblättern wurde schnell klar, dass diese Altersvorgabe sich keineswegs auf die durchweg jugendfreien Motive bezieht, sondern der größtenteils sehr filigranen Linienführung der Vorlagen geschuldet ist. Dadurch entstehen teilweise sehr kleine Ausmalflächen, die eine ausgereifte Feinmotorik voraussetzen, wenn man nicht andauernd über die Begrenzungslinien hinwegmalen möchte. Mit Wachsmalkreiden, Wasserfarben oder den bei Kindern sehr beliebten Jumbo-Buntstiften wird man hier schnell an die Grenzen des Machbaren stoßen. Eine kleine Internetrecherche hat ergeben, dass diese Ausmalbücher voll im Trend der „Neuen Achtsamkeit“ liegen und Erwachsene beim Ausmalen in eine Art meditativen Zustand geraten sollen. Auch der in letzter Zeit arg strapazierte Begriff der Entschleunigung war in den Beschreibungen der Malbücher immer wieder zu lesen. Mandalas, Elfen, Einhörner und Blumen-Ornamente scheinen besonders gut zu laufen, zumindest machen diese Motive den Löwenanteil der Angebote in den Buchhandlungen aus.

Punkt, Punkt, Komma, Strich…

Ich fand Ausmalbücher schon als Kind nicht toll und daran hat sich bis heute nichts geändert. Aber sobald ich ein LEERES Blatt Papier und einen Stift in die Finger bekomme, bin ich nicht zu bremsen – dann wird drauflos gekritzelt, skizziert und gezeichnet, bis das Blatt voll ist. Ich gerate dabei sehr schnell in einen Zustand, den die Psychologen mit dem schönen Begriff „Flow“ bezeichnen: Völlig losgelöst von Zeit und Raum und von seliger Selbstvergessenheit durchdrungen. Als junger Erwachsener habe ich sogar eine Zeitlang ernsthaft mit dem Gedanken gespielt ein Grafik-Design-Studium zu beginnen. Doch dann kamen das Leben, die Frauen und die Notwendigkeit des Geldverdienens ins Spiel und fegten meine Zukunftspläne mit einer lässigen Handbewegung vom Tisch. Wie geht es doch gleich, dieses alte jüdische Sprichwort…? Ach ja, genau: Der Mensch plant und Gott lacht. Ich denke ihr wisst schon, was ich meine. Auf jeden Fall sind Papier und Stifte lange Zeit fast in Vergessenheit geraten, bis ich vor kurzem krank geworden bin und meine Hausärztin mir eine Arbeitspause verschrieben hat.

Berufliche Auszeit als kreative Chance begreifen

Zum Glück handelte es sich nicht um eine schwere Erkrankung, die mich gezwungen hätte im Bett zu bleiben. Ich hatte also auf einmal eine Menge Zeit zur Verfügung, die genutzt werden wollte. „Zeichne doch mal wieder was“, schlug meine Verlobte vor, „du hast doch schon so oft bedauert, dass du dafür keine Zeit mehr hast“. Das klang verlockend und ich kramte meinen alten Bastel-, Zeichen- und Kreativ-Karton vom Hängeboden, Material sichten. Eigentlich war alles noch da, bis auf vernünftiges Zeichenpapier. Natürlich kann man auch normales Druckerpapier verwenden, aber es lohnt sich definitiv ein paar Euro in hochwertiges Papier zu investieren. Wohlweislich ließ ich meine EC-Karte zuhause, steckte nur 20 Euro ein und machte einen kleinen Ausflug in Berlins gefährlichstes Geschäft. Gefährlich, weil ich dort ohne Probleme ein Monatsgehalt in einer halben Stunde durchbringen könnte. Die Berliner unter euch kennen den Laden vielleicht – er heißt „Idee“ und ist direkt um die Ecke vom KadeWe. Dort gibt es eine Riesenauswahl an Bastel-, Zeichen- und Hobbybedarf, wie schon gesagt: Äußerst gefährlich. Ich kaufte einen einfachen Skizzenblock der Hausmarke für unter zehn Euro und war nach nur knapp drei Stunden schon wieder aus dem Laden raus. Puhh.

Das benötigte Material

Da ich nur zeichne und keine aufwendige Malerei betreibe, ist das benötigte Material überschaubar. Hier ein kurzer Überblick, über die von mir am häufigsten verwendeten Materialien:

  • Zeichenpapier 190 g/m², DIN A4 oder größer
  • Druckbleistift in B oder HB oder normale Bleistifte (HB, B und 2B)
  • Schwarze Fineliner in mindestens zwei Stärken
  • Buntstifte
  • Radiergummi
  • Anspitzer

Diese Zusammenstellung ist natürlich nur als Anregung gedacht. Jeder wird sein individuelles Equipment nach und nach selbst entdecken.

Der Weg ist das Ziel

Natürlich ist es schön, wenn am Ende einer Zeichen-Session ein tolles Ergebnis steht, gleichzeitig ist es aber völlig egal, was am Schluss „dabei herauskommt“. Der Prozess des Zeichnens selbst ist das Wichtige, schließlich geht es nicht darum andere zu beeindrucken oder sich selbst etwas zu beweisen. Als Mitglied unserer leistungsorientierten Gesellschaft ist es schwer, sich von dem selbst auferlegten Leistungsdruck zu lösen. Wenn es aber gelingt, kann es ein sehr befreiendes Gefühl sein etwas zu produzieren, das keiner Bewertung durch andere (Chefs, Kollegen, Bekannte etc.) unterliegt. Ich merke, wie sich beim Zeichnen nach und nach mein ganzer Körper entspannt, Atmung und Herzschlag ruhiger werden und die Gedanken völlig losgelöst zu fließen beginnen. Genau dort beginnt der „Flow-Zustand“, in den Kinder beim Spielen auf völlig natürliche und selbstverständliche Art und Weise geraten. Zeit und Probleme werden relativ und eine wohltuende Zufriedenheit macht sich breit.

Ich habe aus reiner Neugier einmal meinen Blutdruck vor und nach dem Zeichnen gemessen. In der halben Stunde, in der ich mit Papier und Stift beschäftigt war, ist er von 145/90 auf 130/75 gesunken. Aber das nur als zusätzlicher Anreiz für alle Hypertoniker.

Inzwischen ist meine Krankschreibung abgelaufen und die Arbeitswelt hat mich wieder fest im Griff. Ich habe aber den guten Vorsatz, trotzdem hin und wieder meine Zeichensachen zur Hand zu nehmen, mich für einen wohltuenden Moment von allen Zwängen loszumachen und zu zeichnen. Probiert es doch auch einmal aus, einfach mit den Materialien, die gerade zur Hand sind. Ich habe schon Kugelschreiber-Kunstwerke auf der Rückseite von Bierdeckeln gesehen. Viel Spaß und „Gut Strich“!

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