Wir hassen uns selbst, wir hassen andere Menschen, wir hassen andersartige Menschen, wir hassen lauwarme Suppe, wir hassen die Schlange an der Supermarkt-Kasse und vieles mehr. Hass ist überall. Du kannst alles um dich herum vergessen, der Hass macht dich jetzt immun. Er hat schlechte und gute Seiten.
Hass ist ein sehr starkes Gefühl. Es ist genauso wichtig wie die Liebe. Nur nicht so beliebt. Wenn ich hasse, bekomme ich Orientierung. Wenn ich hasse, setze ich Grenzen. Ich spreche vom bewussten Hass. Ein Beispiel: in der U-Bahn werde ich oft von Menschen angerempelt, und zwar mit ihren Rucksäcken auf dem Rücken. Ich weiß, sie können das nicht einschätzen, was ihr Rucksack so macht. Nach dem 10. Mal hasse ich diesen Anrempler. Jawohl! Ich denke mir einen coolen Satz aus, z.B. „Bitte benutzen Sie in Zukunft einen Rückspiegel für Ihren Rucksack, Der hat mich gerade angerempelt.“ Am liebsten würde ich natürlich zurück rempeln. Aber ich bin ja gut erzogen…
Richtig schlecht ist unbewusster Hass. Warum? Er macht den Hasser kaputt. Ich vergesse nie, wie eine Frau aus Sachsen in einem Fernseh-Interview mit wutverzerrtem Gesicht schrie:“ Die Flüchtlinge sollen sofort abhauen, die haben in unserem Land nichts zu suchen, weg damit!“ So ein Hass ist krank. Die Frau hat selbst schreckliche Dinge in ihrem Leben erlebt und vergessen. Aber die Angst und die Ohnmacht sitzen immer noch in ihr drin. Sie braucht Sündenböcke, um damit fertig zu werden. Und die Flüchtlinge sind dafür der ideale Anlass. Sie kennt keinen von ihnen persönlich und hasst sie vom ersten Tag an.
Selbst in Frag-Mutti und in vielen anderen Internet-Gemeinschaften gibt es Hass. Warum ist das so? Sicherlich weil man sich nicht anguckt, persönlich nicht kennt und nicht richtig eins auf die Fresse bekommen kann. Man sitzt gemütlich am PC und tippt einen bösen Kommentar oder man macht einen Tipp mit schäbigen Witz-Plaudereien kaputt (109 Kommentare hat mal jemand für sein harmloses Senf-Eier-Gericht bekommen, das ist Bosheit ohne Ende!). Man kann einfach loslegen mit dem Hass, diesem starken Gefühl. Es macht etwas aus dir. Du bist nicht irgendein langweiliger Alltagsmensch, Du bist für kurze Zeit etwas Besonderes. Das ist auch etwas wert.
90 % unserer Handlungen werden vom Gefühl gesteuert. Gefühle platzen raus, sie müssen deshalb kontrolliert werden. Das ist unbequem. Nur viele schlechte Erlebnisse und viel offene Kritik von Mitmenschen machen aus einer hasserfüllten Nervensäge (vielleicht) einen angenehmen Menschen. Es ist schwer, das eigene Verhalten zu ändern. Der Grund: Man denkt, so bin ich nun mal, das ist angeboren, ich muss so reagieren. Das ist aber nicht so. Ein bisschen Änderung geht immer. Und Rückschläge sind normal. Wenn wieder mal eine Hass-Attacke in mir hochsteigt und ich laut und böse werde, ist das in Ordnung. Ich verzeihe mir und denke: Das nächste Mal mache ich es besser.