Wie wichtig sind Rituale in einer Beziehung?

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Ein Paar hält Händchen, während es am Strand entlangschlendert. Die Wellen brechen sanft im Hintergrund, Sonnenlicht umhüllt sie.

Ein populäres Beispiel

„The same procedure as last year, Miss Sophie?“ Stolpert der zunehmend trunkene Butler James über den Tigerkopf oder nicht? Auch wenn man „Dinner for One“ schon Dutzende Male gesehen hat, stellt sich diese Frage jedes Mal wieder und reizt die Lachmuskeln. Allein in der ARD hatte der 18-minütige Sketch seit seiner Erstausstrahlung 1963 weit über 300 Millionen Zuschauer. Jedes Jahr zu Silvester versammeln sich ganze Familien vor dem Fernseher, um über Miss Sophie und ihren Butler James zu lachen. Ein echter Dauerbrenner unter den Ritualen. Was zeigt uns dieses Beispiel? Es beweist, dass Ritualen auch bei der x-ten Wiederholung eine immense Kraft innewohnt. In dem Fall „Dinner for One“ handelt es sich sogar um ein quasi doppeltes Ritual: Da ist zum einen der bis ins kleinste Detail ritualisierte Ablauf des Dinners, und zum anderen das Ritual der Zuschauer, die Jahr für Jahr vor dem Fernseher sitzen und dabei zusehen.

Das alltägliche Ritual

„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.“ Mit diesem Sinnspruch nahm der deutsche Schriftsteller Gustav Freytag (1816 bis 1895) die Erkenntnisse der modernen Verhaltensforschung bereits im 19. Jahrhundert vorweg. Die Gewohnheit, von Forschern auch als Usus bezeichnet, beschreibt die menschliche Tendenz beim Denken, Fühlen und Handeln bevorzugt vertraute Wege zu beschreiten. Was sich einmal bewährt hat, wird auch in der Wiederholung gut sein. Insbesondere im Bereich des menschlichen Miteinanders spielen Rituale dabei eine übergeordnete Rolle. Wissenschaftler bezeichnen Rituale als ein Phänomen der Interaktion mit der Umwelt durch geregelte Kommunikationsabläufe. Was sich hier so theoretisch anhört, lässt sich auf Festen aller Art sehr schön beobachten. Ob auf einer Hochzeit, an Weihnachten oder beim Schützenfest: Alle Beteiligten folgen (mehr oder weniger) einer vorgeschriebenen Choreographie und bewegen sich innerhalb der ihnen zugedachten Rolle.

Rituale in der Partnerschaft

Genau wie im Großen des gesellschaftlichen Miteinanders, erfüllen Rituale auch im Kleinen der Zweierbeziehung eine wichtige Funktion. Der Unterschied: Die beiden Menschen in einer Beziehung sind völlig frei bei der Gestaltung ihrer eigenen Rituale. Kein gesellschaftlicher Zwang gibt hier die Richtung vor. Während die einen die gemeinsame Tasse Kaffee am Morgen als ihr persönlichstes Ritual empfinden, gehen die anderen an jedem ersten Sonntag im Monat in ihr Lieblingsrestaurant. Paare verabschieden oder begrüßen einander auf ihre eigene, ritualisierte Art und Weise und unterscheiden sich dadurch von anderen Paaren. Die gemeinsam entwickelten und gelebten Rituale machen eine Beziehung zu etwas Einzigartigem und Unverwechselbarem. Für Außenstehende ist der Symbolgehalt eines bestimmten Rituals oft gar nicht nachvollziehbar, die Partner begegnen sich darin in ihrem ganz eigenen Beziehungs-Code.

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Das Wir-Gefühl stärken

Rituale haben nicht die Macht, eine kaputte oder unglückliche Beziehung in eine liebevolle Zweisamkeit zu verwandeln. Sie können aber eine „gut funktionierende“ Beziehung um viele erfüllende und besondere Momente bereichern. Was Paartherapeuten so unromantisch als „Beziehungsarbeit“ bezeichnen, kann unter Einbeziehung individueller und verbindender Rituale durchaus romantisch und liebevoll gestaltet werden. Eigene Rituale stärken das Gefühl der Verbundenheit und spiegeln den einzigartigen Charakter einer jeden Liebesbeziehung wieder. Im besten Fall sind sie der Kitt, der zwei Menschen verbindet. Ganz wichtig: Allen Ritualen darf kein Zwang zugrunde liegen. Keiner der Partner sollte sich genötigt fühlen etwas zu tun oder zu sagen, weil es von ihm erwartet wird. Manchmal hilft es, sich an die Zeit des frisch verliebt seins zu erinnern: Welche gemeinsamen Rituale wurden da gepflegt? Sind sie dem Alltag und der Dauer einer Beziehung zum Opfer gefallen? Kann man sie wiederbeleben? Die folgenden Anregungen sind als Anstoß zum Nachdenken über die eigenen Rituale gedacht.

Alltagsrituale in der Beziehung

  • Eine regelmäßige gemeinsame Auszeit nehmen. Oft ist es der ganz normale Alltagswahnsinn, der Paare zermürbt. Ein kurzer, bewusster Ausstieg aus dieser Tretmühle kann Wunder wirken. Telefon ausschalten, die Kinder (wenn möglich) einen Abend bei Oma und Opa oder Freunden unterbringen und nur das tun, worauf beide Lust haben.
  • Zuhören. Klingt banal, kommt aber oft viel zu kurz. Die einfache Frage „Wie geht es dir?“ zu stellen und dem anderen dann wirklich zuzuhören schafft Nähe und Vertrauen.
  • Ein Date mit dem Partner machen und sich darauf vorbereiten als wäre es die erste Verabredung. Mal sehen, was die Schmetterlinge im Bauch dazu sagen…  
  • Einen Abendspaziergang machen. Einmal gemeinsam durch den Park oder um den Block laufen und sich dabei vom Tag erzählen.
  • Wenn beide gerne lesen, ist es eine tolle Erfahrung zur gleichen Zeit das gleiche Buch zu lesen und sich darüber auszutauschen.
  • Gemeinsam etwas Neues ausprobieren. Was das ist, ist ziemlich egal, Hauptsache es ist für beide neu. Eine Kletterwand besteigen, einen Tangokurs belegen, Spanisch an der Volkshochschule lernen, alles ist möglich.

Ich bin mir sicher, dass euch noch tausend andere Dinge einfallen – schreibt es in den Kommentaren und lasst alle teilhaben…

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12 Kommentare

Ein sehr guter Tipp. Mein Mann und ich (8 Jahre Beziehung, 7 Monate Ehe) sehen uns sehr unregelmäßig aufgrund von sehr unterschiedlichen Arbeitszeiten. Trotzdem sagen wir uns mind. 1 mal am Tag "Ich liebe dich". Wenn wir uns mal nicht in echt sehen dann halt als Nachricht oder Zettelchen. Manche die das wissen finden das erzwungen, für uns ist es jedoch enorm wichtig. Selbst wenn wir nach einem Streit schlafen gehen sagen wir es uns, nicht immer leicht dann aber uns hilft es.
Weiß nicht ob das mit dem Tipp gemeint ist? Für uns ist es aber ein alsolut wichtiges, wenn auch banales Ritual ohne das wir vielleicht an der einen oder anderen Hürde gescheitert wären.

Wir haben bestimmt noch mehr die mir so garnicht als solche Auffallen.
Ein regelmäßig betriebenes gemeinsames Hobby ist auch schön gemeinsam verbrachte Zeit.Jeden Montag z.B. gemeinsam kegeln, kochen, in den Chor oder Kartenspielen gehen. Wenn noch mehr Leute beteiligt sind, dann wird es noch verbindlicher.
Im Zeitalter der modernen Medien schreiben mein Mann und ich uns ab und zu kleine Nettigkeiten per sms. Das zaubert bei dem Anderen immer ein Lächeln aufs Gesicht und man freut sich auf den anderen. Funktioniert, wir feiern dieses Jahr unser Silbernes.