Buchtipp: "Zusammen ist man weniger allein" von Anna Gavalda

Buchtipp: "Zusammen ist man weniger allein" von Anna Gavalda

Manchmal fühle ich mich vom Leben reich beschenkt. Das gilt insbesondere für die Momente, in denen ich ausgestreckt auf dem Bett liege, meine Verlobte mit einem Kissen im Rücken neben mir sitzt und mir vorliest. Je nachdem wie beschäftigt wir beide gerade sind, kommt das (maximal) täglich bis (minimal) einmal die Woche vor. Herrlich, da kann mir jedes Fernsehprogramm gestohlen bleiben.

Ein Fach in unserem Bücherregal ist nur für die von ihr vorgelesenen Bücher reserviert und letzte Woche war es voll. So sehr ich auch quetschte und drückte, der gut 550 Seiten starke Roman „Zusammen ist man weniger allein“ von Anna Gavalda passte einfach nicht mehr hinein. Jetzt liegt das Buch hier auf meinem Schreibtisch und wartet darauf, dass wir das Bücherregal ausmisten, um ein neues Fach der vorgelesenen Bücher einzurichten. Das ist die Gelegenheit, es noch einmal in die Hand zu nehmen, darin herumzublättern und für euch eine Lese-Empfehlung zu schreiben. Auf geht’s!

Zum Inhalt

Einen festen Handlungsbogen, der die Geschichte von ihrem Anfang bis zum Ende trägt, bietet der Roman im eigentlichen Sinne nicht. Handlungsbestimmend sind vielmehr die vier Hauptfiguren, deren innerem und äußerem Erleben sich Anna Gavalda ausgiebig widmet. In episodenhaften Passagen wird die langsame Annäherung vier grundverschiedener Charaktere geschildert. Das Schöne daran ist, dass sich diese vier Menschen nicht gegenseitig in dramatische Abgründe reißen, sondern sich wechselseitig unter die Arme greifen und aufrichten.

Da ist zunächst der 36-jährige Philibert Jehan Louis-Marie Georges Marquet de la Durbellières, dessen Name im Roman gnädigerweise auf Philibert verkürzt wird. Er stammt aus einer verarmten Adelsfamilie, deren Mitglieder sich gegenseitig siezen. Philibert ist sensibel und hochintelligent, kommt allerdings mit der praktischen Seite des Lebens nicht so recht klar. Obwohl er studiert hat und ein „historisches Genie“ ist, bestreitet er seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Postkarten. Zu Beginn des Romans hütet er im Auftrag seines Vaters die 300 Quadratmeter große Wohnung seiner kürzlich verstorbenen Großmutter.

Ein Zimmer der Wohnung bewohnt Philiberts Freund Franck. Er ist Koch und das genaue Gegenteil von Philibert: laut, ungehobelt und im Grunde seines Herzens nur an Sex und Motorrädern interessiert. Den einzigen freien Tag der Woche verbringt er allerdings stets mit seiner 83-jährigen Großmutter Paulette, die nach einem Oberschenkelhalsbruch ins Altersheim umziehen muss.

Die vierte Person in diesem ungleichen Quartett ist die 26-jährige Camille. Sie haust in einer schäbigen, kalten Einzimmerwohnung unterm Dach des Hauses und isst so wenig wie ein Spatz. Obwohl sie eine sehr talentierte Zeichnerin ist, muss sie nachts putzen gehen, um zu überleben.

Als Camille krank wird, holt Philibert die ihm bis dahin Unbekannte in seine Wohnung und pflegt sie. Diese Begebenheit ist der eigentliche Katalysator der Geschichte und es beginnen sich Beziehungsgeflechte zwischen den Beteiligten zu entwickeln. Als Philibert, Franck und Camille beschließen Paulette aus dem Altersheim zu sich in die Wohnung zu holen, ist die ungleiche WG komplett. Wohin sich diese Situation entwickelt, werde ich an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Es ist zauberhaft, schön und anrührend zugleich. In zahllosen, toll geschriebenen Dialogen entwickelt sich eine zwischenmenschliche Geschichte von großer Intensität, die zum Glück nie ins Kitschige verfällt.

Zur Autorin

Anna Gavalda kam 1970 in der Nähe von Paris zur Welt. Mit einer Gesamtauflage von über 5 Millionen zählt sie mittlerweile zu den erfolgreichsten Schriftstellerinnen Frankreichs. Erste Berühmtheit erlangte sie mit ihren 1999 veröffentlichten Erzählungen Ich wünsche mir, dass irgendwo jemand auf mich wartet. Anna Gavalda gab nach diesem Erfolg ihre Anstellung als Französischlehrerin in einer Privatschule auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Ihr 2005 erschienener Roman Zusammen ist man weniger allein stürmte die französischen Bestsellerlisten und wurde mit Audrey Tautou (Die fabelhafte Welt der Amélie) in der Rolle der Camille erfolgreich verfilmt. Heute wohnt Anna Gavalda mit ihren beiden Kindern auf einem Bauernhof nahe Paris. Sie schreibt unter anderem für das Magazin Elle, liest selbst aber keine Zeitungen und besitzt weder ein Radio noch einen Fernseher.

Die Fakten

  • Titel:
  • Autorin: Anna Gavalda
  • Deutsche Erstausgabe: 2006
  • Verlag: Fischer Verlag
  • 551 Seiten (Taschenbuchausgabe)
  • ISBN: 978-3596173037
  • Preis: 9,95 Euro

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5 Kommentare

Ich kenne das Buch auch und mag es sehr!
Ich habe den Film mit der großartigen Audrey Tautou schon 2 x gesehen, deshalb kann ich leider dieses Buch nicht mehr lesen, trotzdem danke für den Tipp.
@HörAufDeinHerz: Buch und Film sind es wert mehrfach genossen zu werden. Ich habe erst das Buch gelesen, dann den Film gesehen und dann noch einmal das Buch gelesen. Klar passen mehr als 500 Seiten kaum in einen Spielfilm, da wird manches gekürzt, aber gerade deswegen macht es Spaß das Buch auch nach dem Film zu lesen.

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