Orthorexie oder Glückskost? Du hast die Wahl

Orthorexie oder Glückskost? Du hast die Wahl
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Es gibt seit einigen Jahren wieder ein neues Phänomen der Wohlstandsgesellschaft: die Sucht nach der richtigen Ernährung oder Orthorexie. Das Wort setzt sich aus „ortho“ mit der Bedeutung „aufrecht, richtig, recht“ und „orexia“ mit der Bedeutung „Appetit oder Begierde“ zusammen. Wir kennen die Bestandteile des Wortes in anderen Bezeichnungen, wie "Orthografie" (Rechtschreibung), „orthodox" (rechtgläubig) und "Anorexie" (Appetitlosigkeit oder Magersucht).

Orthorexie - neues Phänomen der Wohlstandsgesellschaft

Mit Orthorexie wird ein Spleen, eine Sucht oder vielleicht sogar eine Krankheit bezeichnet. Menschen befassen sich akribisch mit korrekter Ernährung. Da man mit Religion sonst nicht viel am Hut hat und Essen im Überfluss. Kann der Glaube an die richtige Ernährung zur Ersatzreligion werden.

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Ernährung und Religion sind auch recht eng verwandte Lebensbereiche. In den Religionen gibt es zahlreiche Vorschriften, die beschreiben, was man zu welchen Zeiten essen oder nicht essen darf (z. B. halal oder koscher). Es gibt Rituale, die mit Nahrungsaufnahme zu tun haben (das Abendmahl, Fasten und Fastenbrechen) aber vor allem viele Nahrungsverbote. Völlerei ist eine der sieben Todsünden!

Aber auch außerhalb der Religion kann man sich gar nicht mehr retten vor Ratschlägen und Warnungen, was dick oder krank, was schlank, schön, stark oder gesund macht und was politisch, ökologisch oder genetisch korrekt ist. Andere kulinarischen Formen sind (vielleicht nur zeitweise) kulturell hochwertig und sollen von weltoffener Einstellung oder dickem Geldbeutel zeugen.

Mal enthalten die Eier böses Cholesterin, mal das Fleisch zu viele Antibiotika oder ist wegen Rinderwahn oder Vogelgrippe verseucht. Dann lauert überall, wo es besonders gut schmeckt das krebserregende Acrylamid. Glaubt man, den Zuckerteufel gerade ausgetrieben zu haben, dann waren die Süßstoffe auch nur der Beelzebub.

Mal haben die Gesundheitsapostel bestimmte Fette auf dem Kieker. Bei anderen Diäten machen allein die Kohlenhydrate dick und man darf nur Eiweißbrot essen, davon aber auch nicht zu viel, denn dann stimmt das Säure-Basengleichgewicht nicht mehr. Dann gibt es zig Möglichkeiten Milch, Eier oder Fleisch zu ersetzen, am besten mit südamerikanischen Chiasamen oder fernöstlichen Sojakonstruktionen, damit man dann überhaupt gar kein echtes Fleisch mehr braucht.

Was die richtige Zubereitungsart? und Fritteuse werden natürlich verbannt! Von roh über slow cooking, Dampfgaren, Blanchieren, Kurzbraten, sparsam oder raffiniert gewürzt. Was ist erlaubt oder dringend geraten?

Selbstverständlich Vollkorn, aber bitte glutenfrei. Möglichst exotische und naturbelassene Pflanzen wie Inkaweizen, aber bitte aus regionalem Anbau. Heumilch von fröhlichen Kühen auf der Weide aus der Pfandflasche, aber bitte laktosefrei. Natriumarme Speisen, höchstens mit einem Körnchen Himalajasalz versehen.

Low-Carb, Trennkost, Kalorienzählen, Intervallfasten, Blutgruppendiät. Rohkost, Nahrungsmittel mit hochglykämischem Anteilen, vegetarisch, vegan oder gar Fruktarier. Von der Steinzeit bis zum Postmoderne gibt es Heilige und Sünder. Postmodernes Pseudogetreide, Milchersatzgetränke, Sojaschnitzel, Analogkäse oder doch lieber Steinzeitküche? Es gibt so viele Ratgeber und so viele Ernährungsapostel, die auch andere von ihrer allein selig machenden Ernährungsphilosophie überzeugen wollen oder zumindest am Umsatz beteiligt werden wollen, denn Diäten sind ein Dauerthema.

Ich will jetzt weder darauf eingehen, welche Diät ich für die richtige halten noch auf die Wohlstandskrankheit Orthorexie (sie ist nicht einmal als richtige Krankheit anerkannt). Das Internet ist voll von Informationen darüber und - wie sollte es anders sein ist man sich auch gar nicht einig, was die „richtige“ Orthorexie ausmacht.

Ich habe für mich eine Entscheidung getroffen, zu der ich alle nur ermutigen möchte. Bei keinem anderen Thema ist eine „Entscheidung aus dem Bauch heraus“ so angebracht wie bei der Ernährung: Glaubt an euch selbst! Der eigene Körper ist in Sachen Ernährung viel kompetenter als das Gehirn. Achtet auf die Signale EURES EIGENEN Körpers. Worauf habt ihr Appetit? Was schmeckt euch, was nicht? Wann ist es genug? Wovon wird euch schlecht (vielleicht auch erst am nächsten Tag)? Ich richte meine Ernährung nicht nach der Werbung, nicht nach fremden Vorschriften und auch nicht nach der Uhr, sondern nach meinem Bauch und anderen eigenen Körpersignalen.

Abwechslung tut gut und ich probiere gerne mal etwas Neues aus, hole mir gerne neue Anregungen, aber letztlich entscheidet mein Körper, was ihm gut tut oder auch nicht. In meiner Ernährung kommen lauter angenehme Sachen vor, die ich fröhlich und guten Gewissens genießen kann, weil ich weiß, dass es mir auch nach dem Essen noch gut geht. Vieles, was als „gesund“ propagiert wird, vielleicht (anfänglich) sogar gut schmeckt, esse ich nicht, weil ich selbst festgestellt habe, dass es mir nicht bekommt. Dann fällt der Verzicht darauf auch leicht. Andererseits habe ich festgestellt, dass die von anderen so verachteten Kohlenhydrate in meiner Ernährung das Wichtigste sind. Wenn ich da auf gute Qualität achte, werde ich lang anhaltend satt.

Schreibt euren eigenen Ernährungsplan:

Wer tatsächlich gesundheitliche Probleme hat, sollte ein Ernährungstagebuch schreiben. Darin kann man festhalten, was man zu welchen Zeiten in welchen Mengen zu sich nimmt und wie es einem dabei geht und dann seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen oder auch mit einer Vertrauensperson besprechen. Ein persönliches Ernährungstagebuch bringt einen in jedem Fall weiter als jede von außen verschriebene Diät. Der eigene Körper entscheidet, was gut tut. Wer gar keine eigenen Ideen hat, kann sich durchaus den einen oder anderen Rat von außen holen. Aber ein noch so gut gemeinter Rat von außen kann das eigene Körpergefühl nicht ersetzen. Die Ernährung muss zu dir selbst passen. Jeder ist, was er isst.

Genussvoll Essen: das Essen zelebrieren

Essen ist weit mehr als nur Nahrungszufuhr, umfasst viel mehr als nur das „runterschlucken“. Es beginnt beim Planen, Einkaufen, geht über die Zubereitung, das Tischdecken, in Gesellschaft genießen, bis hin zum Abräumen, Reste verwahren und späterer Verwertung. Der Geschmack ist nur eine kleine Komponente des Genusses, das Auge isst sprichwörtlich mit, bei mir ist es noch mehr die Nase. Der Duft von Speisen beim Auswählen, Zubereiten und Servieren ist auch ein Genuss, den man reichlich auskosten kann. https://www.frag-mutti.de/riechdiaet-duefte-haben-keine-kalorien-a48181/ 

Die Glückskost ist immer noch die beste. Durch fröhlichen Genuss werden die körpereigenen Kräfte mobilisiert, die im wahrsten Sinne „von innen“ schön machen. 

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