Zimtsterne in der Kritik – zu Recht?
Wenn zur Weihnachtszeit die Leberwerte vieler Menschen ihren Jahreshöchststand erreichen, muss das nicht immer mit fettem Essen oder zu viel Glühwein zusammenhängen. Seit geraumer Zeit sind Zimtsterne ins Visier der Gesundheitsexperten geraten. Das in ihnen enthaltene namensgebende Gewürz soll bei übermäßigem Konsum schädlich für die Leber sein. Doch stimmt das auch? Und wenn ja, warum?
Grund für diese Annahme liefert nicht der Zimt an sich, sondern das in ihm enthaltene Cumarin.
Cumarin? Was ist das?
Es handelt sich dabei um einen natürlichen Aroma- und Duftstoff, der in vielen Pflanzen enthalten ist. Während Cumarin in Steinkleekraut, Waldmeister oder Tonka-Bohnen nur in geringen Spuren vorkommt, ist die in Zimt enthaltene Menge sehr hoch. In der Medizin wird synthetisch erzeugtes Cumarin als Arzneimittel zur Ödem-Behandlung verwendet. Darüber hinaus kommt es wegen seines angenehmen Dufts nach frischem Heu in zahlreichen Kosmetikprodukten zum Einsatz.
Cumarin steht im Verdacht die menschliche Leber zu schädigen. Während einer Arzneimittelstudie cumarinhaltiger Medikamente kam es bei einer kleinen Gruppe der Probanden zu Leberschäden. In leichten Fällen äußerte sich das Phänomen nur in einer Erhöhung der Leberenzyme, während bei den schweren Fällen Leberentzündung (Gelbsucht) diagnostiziert wurde. Der dem zugrundeliegende Wirkmechanismus ist noch unbekannt. Allerdings sind in der wissenschaftlichen Literatur bislang keine Fälle dokumentiert, in denen eine Leberschädigung durch den Verzehr cumarinhaltiger Lebensmittel erfolgte.
Erster Cumarin-Alarm
Bereits im Jahr 2006 warnte das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) vor einem zu hohen Cumarin-Gehalt in Zimtsternen und anderem Weihnachtsgebäck mit Zimtanteil. In Untersuchungen der Lebensmittelüberwachung wurde damals eine deutliche Überschreitung des zulässigen Cumarin-Höchstwertes festgestellt. Dieser war im Jahr 1988 im europäischen Aromenrecht auf 2 Milligramm pro Kilogramm Lebensmittel festgelegt worden. Allerdings nicht wegen der vermuteten leberschädigenden Wirkung, sondern aufgrund des Verdachts, dass Cumarin krebserregend sein könnte. Diese Vermutung konnte jedoch durch neuere Studien widerlegt werden.
Neue Grenzwerte
Im Januar 2011 wurden in der neuen europäischen Aromenverordnung die heutzutage gültigen Höchstmengen von Cumarin in zimthaltigen Lebensmitteln festgeschrieben. So beträgt die Höchstmenge für "traditionelle und/oder saisonale Backwaren, bei denen Zimt in der Kennzeichnung angegeben ist" (z.B. Zimtsterne), 50 Milligramm pro Kilogramm Lebensmittel. Für Milch- oder Dessertspeisen (z.B. Milchreis mit Zimt) gelten 5 Milligramm pro Kilogramm Lebensmittel.
Was bedeuten diese Zahlen?
Laut Dr. Klaus Abraham, Lebensmitteltoxikologe am BfR, gelten täglich 0,1 Milligramm Cumarin pro Kilogramm Körpergewicht auch bei empfindlichen Personen als gesundheitlich unbedenklich. Das entspricht bei einem Erwachsenen mit 60 Kilogramm Körpergewicht einer Cumarin-Menge von 6 Milligramm. In Zimtsternen ausgedrückt: Nach maximal 24 kleinen Zimtsternen (120 g) sollte Schluss sein! Besonders bei Kindern werden diese Grenzwerte schnell erreicht. Ein Kind mit 15 Kilogramm Gewicht sollte nicht mehr als 6 kleine Zimtsterne (30 g) essen.
Allerdings schreibt die Aromenverordnung keinen Cumarin-Höchstgehalt für das Gewürz Zimt vor. Für den Fall, dass Zimt zum Selberbacken verwendet wird, ist daher wichtig zu wissen: Zimt ist nicht gleich Zimt!
Eine kleine Warenkunde
Zimt (lat. cinnamum) wird aus der getrockneten Rinde des Zimtbaums gewonnen. Man kann ihn grob in zwei Gruppen unterteilen: Ceylon Zimt mit geringem Cumaringehalt und Cassia-Zimt mit hohem Cumaringehalt. Da Cassia-Zimt wesentlich preiswerter ist, wird er in der industriellen Produktion von Backwaren weitaus häufiger verwendet als der cumarinarme, aber teurere Ceylon-Zimt. Wenn der Zimt zu Pulver vermahlen wird, ist eine Unterscheidung der beiden Sorten praktisch nicht mehr möglich. Hier muss man sich auf die Herstellerangaben verlassen. Anders bei den naturbelassenen Zimtstangen: Sie unterscheiden sich deutlich im Aussehen. Cassia-Zimt besteht aus einer relativ dicken Schicht Rinde, die in Röllchenform gebracht wird. Ceylon-Zimt hingegen ähnelt im Querschnitt dem Inneren einer Zigarre – mehrere dünne Rindenschichten werden zu einer kompakten Stange gerollt.
Und was nun?
Na? Habt ihr nach den ganzen Zahlen und Fakten immer noch Appetit auf Zimtsterne? Sie riechen halt so gut, trotz Cumarin. Wenn ihr also zu Weihnachten (und auch sonst) nicht auf lecker duftendes Zimtgebäck verzichten möchtet, solltet ihr bei gekauften Produkten die Verzehrempfehlungen berücksichtigen. Aber Hand aufs Herz: Nach 24 Zimtsternen (täglich!) fällt es bei Nummer 25 doch nicht wirklich schwer "Nein" zu sagen, oder? Und für die Kinder werden sie einfach rationiert. Vielleicht weiß ja noch jemand von euch ein besonders leckeres Rezept für Zimtsterne…? Wenn ihr beim Selberbacken dann den "besseren" Ceylon-Zimt verwendet, seid ihr auf der ganz sicheren Seite.