Von Macken und Marotten

Von Macken und Marotten
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Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp… Na, jetzt schon ein bisschen genervt? Dann geht es euch genau wie dem spanischen Tennisprofi Rafael Nadal im Wimbledon-Halbfinale 2018 gegen den Serben Novak Djokovic. Dieser hat nämlich die Angewohnheit den Ball vor jedem Aufschlag unzählige Male aufdotzen zu lassen, bevor er ihn dann endlich mit Wucht über das Netz donnert. Ich habe das extrem spannende Halbfinale verfolgt und war von dieser Marotte Djokovics fasziniert. Nun ist es nicht so, dass Nadal seinerseits völlig frei von beinahe neurotisch wirkenden Zwangshandlungen gespielt hätte. Ebenfalls vor jedem (wirklich jedem!) Aufschlag spult er sein ganz eigenes und immer gleiches Ritual ab: Hose zurechtzupfen, Haare hinters rechte Ohr streichen, Haare hinters linke Ohr streichen, die Schulter kurz mit der freien Hand antippen, den Schweiß von der Nase wischen und los geht's. Kein Wunder, dass das Spiel der beiden Tennis-Asse geschlagene 5:15 Stunden gedauert hat. Ohne ihre diversen Ticks hätte das Match locker in der halben Zeit beendet werden können.

Vorsicht, Fuge!

Bei einer kritischen Betrachtung der eigenen Verhaltensweisen wird man mit ziemlicher Sicherheit auch die eine oder andere Macke bei sich selbst entdecken. Als Kind habe ich beispielsweise eine Zeit lang penibel darauf geachtet, ja nicht auf die Fugen des jeweiligen Bodenbelags zu treten. Bei den großen Gehwegplatten auf dem Bürgersteig war das kein Problem – mit einigen kleinen Zwischenhüpfern kam ich trotzdem ganz zügig voran. Schwierig wurde es bei unseren Badezimmerfliesen, die in etwa die Größe einer Streichholzschachtel hatten. Um bis aufs Klo zu kommen, musste ich über Waschmaschine und Badewannenrand klettern, frei nach der Devise „warum einfach, wenn's auch schwierig geht?“ Irgendwann kam ich auf die Idee, mir aus mehreren Handtüchern eine Art begehbare Brücke über die Minifliesen zu bauen. Clever, gell? Fand meine Mutter nicht. Sie hatte sich irgendwann auf die Lauer gelegt, weil sie sich über die ganzen schmutzigen Handtücher und den sauberen Fußboden gewundert hat. Danach war Schluss mit diesen „albernen Kinkerlitzchen“ (O-Ton Mama).

Ist der Herd auch wirklich aus?

So, und jetzt mal Hand aufs Herz: Wie viele von euch schauen nach dem Kochen mehrmals nach, ob sie den auch wirklich ausgeschaltet haben? Oder gehen zurück zur bereits abgeschlossenen Haustür, um zu überprüfen, ob sie auch tatsächlich zugesperrt ist? Oder kontrollieren nach dem Einkauf immer wieder, ob die EC-Karte auch ganz sicher im Portemonnaie steckt? Lieber nochmal nachschauen. Mannomann, Fragen über Fragen. Eigentlich kennt man die Antworten ja schon: Der Herd ist aus, die Haustür zu und so weiter. Und trotzdem überkommt einen immer wieder diese nagende Ungewissheit. Ziemlich nervig und zutiefst menschlich, aber glücklicherweise noch nicht besorgniserregend. Schlimm wird es erst, wenn diese Gedanken für den Betroffenen schier unerträglich werden und einen immensen Leidensdruck sowie eine echte Einschränkung der Lebensqualität mit sich bringen. Dabei sind sich die Betroffenen stets der Irrationalität ihrer Gedanken und der daraus resultierenden (Zwangs)-Handlungen bewusst.

Von der harmlosen Macke zur Zwangsstörung

All diesen irrationalen Verhaltensweisen liegt ein Kontrollzwang zugrunde. Ist dieser Kontrollzwang stark ausgeprägt, kann er zu einer ernsthaften Belastung für den Betroffenen werden. Der Versuch, sich dem Zwang zu widersetzen, führt in der Regel zu starken Angstgefühlen und großer innerer Anspannung. Dieser äußerst unangenehme Zustand kann nur durch ein erneutes Ausführen der betreffenden Zwangshandlung vorübergehend gelindert werden. Ab diesem Punkt sprechen Psychologen von einer Zwangsstörung, die in der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-Codes) mit dem Kürzel F42 gekennzeichnet ist. Etwa zwei Prozent aller Deutschen leiden an einer derartigen Zwangsstörung über deren Ursachen bislang nur spekuliert werden kann. Neben einer möglichen genetischen Disposition (Vererbung) sind mittlerweile auch traumatische Erlebnisse in der Kindheit sowie eine Stoffwechselstörung des Gehirns (Serotoninmangel) als mögliche Auslöser in den Fokus gerückt.

Da es oft nur schwer möglich ist, diese Zwangsstörung aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen, ist in vielen Fällen professionelle Hilfe gefragt. Ein Psychologe kann im Rahmen eines Gesprächs anhand verschiedener Kriterien eine gesicherte Diagnose stellen. Die Behandlung einer Zwangsstörung erfolgt zumeist als Kombinationstherapie mit den Eckpfeilern Verhaltenstherapie und medikamentöse Behandlung.

Was kann ich selbst tun?

Glücklicherweise ist aus meinen kleinen Macken und Marotten (auch ich bin ein Herd-aus und Tür-zu Kontrollfreak) bislang noch keine ernsthafte Zwangsstörung entstanden. Um den Kreislauf des sich ewig wiederholenden Kontrollierens zu durchbrechen, hilft es mir, die betreffende Handlung EINMAL GANZ BEWUSST durchzuführen. Das bedeutet: Ich schalte den Herd aus oder schließe die Tür ab und sage mir dabei genau vor, was ich tue. Es fühlt sich schon etwas komisch an, zu der leeren Küche laut und deutlich zu sagen: „Ich schalte jetzt den Herd aus!“ Oder im Treppenhaus zu stehen und für alle Nachbarn gut vernehmlich zu mir selbst „Ich habe die Tür abgeschlossen“ zu sagen… aber sei's drum – Hauptsache es hilft!

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