Pinkeln, pullern, pieseln – Mythen und Fakten rund ums kleine Geschäft
Männer mit kurzen Vornamen sind im Winter klar im Vorteil. Zumindest wenn es darum geht, den eigenen Namen in den frischen Schnee zu pinkeln. Für Max und Ben überhaupt kein Problem. Für Klaus-Dieter hingegen ist spätestens beim Bindestrich Schluss – der "Saft" ist alle. Dass dieses, dem männlichen Spieltrieb geschuldete Kunststück, nur im Stehen klappt, ist klar. Warum aber ein Großteil der Männer auch im heimischen Bad "standhaft" am Prinzip des Stehpinkelns festhält, ist unklar. Hier, wo weder eine Schneewehe zum Verewigen lockt, noch ein schneidender Wind den entblößten Hintern auskühlt, könnte "Mann" sich doch setzen, oder? Meint zumindest "Frau", die trotz aller emanzipatorischen Fortschritte in den meisten Fällen leider noch für die Reinigung des Bads verantwortlich ist. Das führt direkt zu Männer-Mythos Nummer Eins:
"Ich kann doch zielen – bei mir geht nichts daneben!"
Wahr ist, dass der Mann eine bessere Kontrolle über den Urinstrahl bei der Miktion (Fachbegriff fürs Wasserlassen) hat als die Frau. Das ist anatomisch bedingt und nicht zu leugnen. Daher hat sich in der westlichen Zivilisation auch die sitzende Pinkelhaltung bei der Frau durchgesetzt. In anderen Kulturen, beispielsweise in Teilen Afrikas, erlernen Frauen schon im Mädchenalter spezielle Techniken zum Stehpinkeln. Doch zurück zum Mythos. Unwahr daran ist, dass es allein auf das "Zielen können" ankommt. Die eigentliche Verschmutzung findet nicht durch versehentliches "Danebenpinkeln" statt. Sie ist vielmehr Folge des feinen Sprühnebels, der zwangsläufig beim Auftreffen des Urinstrahls auf die Keramik oder auf im WC-Becken befindliches Wasser entsteht. Dieser aus kleinsten Urin-Tröpfchen bestehende Nebel setzt sich am und ums Klo herum ab, und bildet einen klebrigen Film. Soviel zur angeblichen Zielsicherheit.
Ein beliebtes Totschlag-Argument der Stehpinkler basiert auf folgendem Mythos:
"Für Männer ist Sitzpinkeln gesundheitsschädlich!"
Bei der Frage nach dem Ursprung dieses medizinischen Halbwissens wird frau von den Herren der Schöpfung eine Vielzahl kreativer Antworten bekommen. Aber: Keine davon stimmt! Dieser Mythos ist wirklich einer. Um einer Grundsatzdiskussion vorzubeugen, kann frau hier ein Zitat von Hartmut Jonitz einfließen lassen. Der Vizepräsident des Berufsverbands der Deutschen Urologen sagt zu dieser Männerangst Folgendes: "Nein, das (Stehpinkeln) hat gesundheitlich überhaupt keine Auswirkungen". Auch sein Kollege und Pressesprecher des Berufsverbands der Urologen, Dr. Wolfgang Bühmann, erklärt in der renommierten Apotheken-Umschau: "Die männliche Harnröhre hat zwei Kurven. Wenn man auf der Toilette sitzt, kann man den Penis einfach hängen lassen. Das kommt der Natur entgegen". Falls die Diskussion damit noch immer nicht beendet sein sollte, hilft wahrscheinlich nur noch ein dezenter Hinweis auf den Aufbewahrungsort der Putzutensilien.
Und nun zum letzten Mythos, der eigentlich gar keiner ist. Hier könnte man wohl eher von einer latenten Identitätsstörung sprechen:
"Im Sitzen pinkeln ist unmännlich!"
Das Pinkeln im Stehen als letzte Bastion einer schwer angekratzten Männlichkeit. Nicht wirklich ernst zu nehmen, aber dennoch sehr aufschlussreich. Sagt dieses Argument doch viel aus über den unsicheren Stand des Mannes in einer Gesellschaft, die dabei ist sich von tradierten Rollenbildern zu befreien. Natürlich hatte der Mann bei der Jagd auf Mammuts anderes im Sinn, als sich Gedanken über die Hygiene beim Toilettengang zu machen. Toiletten? Gepinkelt wurde draußen und natürlich im Stehen. Aber mit den Mammuts sind auch die Mammut-Jäger ausgestorben. Nur scheinen viele Männer das leider noch nicht gemerkt zu haben. Glücklicherweise zeigt eine Umfrage der Apotheken-Umschau, dass sich in der heranwachsenden Männer-Generation eine Trendwende hin zum Sitzpinkeln abzeichnet. Dr. Wolfgang Bühmann erklärt das mit einer veränderten Rollenverteilung, in der auch Männer am Putzen beteiligt sind. Es besteht noch Hoffnung!
Zusammenfassend lässt sich sagen: Im Sitzen zu pinkeln sollte keine Frauensache sein. Es ist hygienischer und auf keinen Fall schädlich für die körperliche und geistige Gesundheit des Mannes. Wer die Möglichkeit hat, dem sei ein Bad mit normalem WC und einem zusätzlichem Urinal zu empfehlen. Das entzieht einer möglichen Diskussion jede Grundlage und schafft Ruhe an der "Pinkelfront".
Hoffentlich hat euch Frauen dieser kleine Exkurs einige Argumentationshilfen an die Hand gegeben, wenn ihr daheim die Klobrille wieder einmal hochgeklappt vorfindet. Oder gehört ihr zu den geschätzten glücklichen 40 Prozent, bei denen sich die Diskussion "sitzen oder stehen?" wegen eines ohnehin beim Pinkeln sitzenden Mannes erübrigt? Wahrscheinlich völlig ungerührt von der ganzen Thematik ist auf jeden Fall das Manneken Pis in Brüssel. Das pinkelt seit dem Jahr 1619 kritiklos im Stehen!
radfahrende Mutti